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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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wohnte und der Mensch am Leben war.
    An diesem Abend aber war die Leiche nicht nur ein toter Mensch. Dieser Körper sah aus, als hätte er zwei oder drei Menschen beherbergen können. Eine gewaltige Masse aus Haut und Fett, die gleich auf zwei sterile Stahltische gebettet werden musste.
    Zum ersten Mal wurde Per Roland im Rechtsmedizinischen Institut übel. Er schrieb das der Wärme zu, wobei er sich nicht erklären konnte, warum er unter dem weißen Kittel, in den man ihn gesteckt hatte, so schwitzte, da es im Institut sonst immer recht kalt war.
    »Geht es dir wirklich gut?«, fragte Kim Hjort. »Du schwitzt und bist so blass wie dein Kittel.«
    »Doch, doch, es geht mir gut«, log er.
    Tatsache war, dass sich ihm beim Anblick des gewaltigen Körpers der Magen umdrehte. Das Frühstück, das er auf der Fahrt hierher im Auto gegessen hatte – eine Tasse Kaffee und einem Croissant von einer Tankstelle – meldete sich plötzlich zurück.
    Sein Freund sah ihn mit seinem Ärzteblick an.
    »Bist du sicher? Du siehst eher so aus, als wolltest du gleich einen Herzanfall bekommen.«
    »Es geht mir gut.«
    Hjort musterte ihn noch immer.
    »Wie du willst.«
    »Kannst du schon etwas sagen?«, fragte Roland.
    »Nicht viel mehr als das, was du sowieso weißt.«
    »Tu es trotzdem.«
    »Na dann. Wir haben eine Frau, etwa Mitte zwanzig, stark übergewichtig, Größe 1,65 Meter, Gewicht etwa 180 Kilogramm, hellhäutig mit braunen Haaren. Sie ist gestern, am Mittwoch, den 18. September, zwischen 20 und 22 Uhr verstorben.«
    »Wir wissen, dass Liv sie um 21.05 Uhr gefunden hat, und die Nachbarin hat um Viertel vor neun Lärm aus dem Nachbarhaus gehört«, ergänzte Roland. »Außerdem haben wir einen registrierten Anruf von ihr im Präsidium, der dort um 20.43 Uhr eingegangen ist.«
    »Dann ist sie irgendwann zwischen 20.43 und 21.05 Uhr ermordet worden. Wir halten das gerne als Tatsache fest und danken der Fähigkeit der Menschen, sich an gewisse Uhrzeiten zu erinnern«, sagte Kim Hjort.
    »So weit, so gut«, sagte Roland. Die Auflistung der Fakten half ihm, seine Fassung wieder zurückzugewinnen.
    »Als Todesursache halten wir Strangulation fest.«
    »Mit bloßen Händen?«
    »Das ist korrekt. Kein Detail ist zu klein oder unwesentlich.« Kim Hjort nickte.
    »Stimmt. Und es ist wirklich vollkommen sicher, dass sie mit bloßen Händen erwürgt worden ist?«
    »Ja.«
    »Kein Seil?«
    »Nein. Sieh mal hier.«
    Kim Hjort deutete auf ihren Hals, und Roland beugte sich über sie.
    »Breite blaue Flecken auf beiden Seiten, und die passen exakt zu den entsprechenden Fingern.«
    »Können wir die irgendwie verwenden?«
    »Wir können daraus ein ziemlich exaktes Bild der Hände des Täters ableiten. Auf jeden Fall muss es sich um einen erwachsenen Mann handeln.«
    »Reicht das für eine Identifikation?«
    »Vor Gericht reicht das nicht, aber im Prinzip ist das schon ziemlich aussagekräftig. Findest du eine passende Hand, handelt es sich bei ihrem Besitzer höchstwahrscheinlich um den Täter. Ihr braucht aber noch mehr.«
    »Das ist klar.«
    »Was kann man sonst noch über den Täter sagen? Wie viel Kraft muss er haben?«
    »Es handelt sich unzweifelhaft um einen kräftigen, vermutlich recht großen Mann. Du musst bedenken, dass sie eine sehr dicke Person war. Wenn du mich fragst, ist der Mörder groß, stark, zielstrebig, kaltblütig und total verrückt.«
    »Verrückt? Nein, das glaube ich nicht«, sagte Roland nachdenklich.
    »Wie meinst du das?«
    »Diese Art zu töten birgt eine unheimliche Gewalt in sich. Man braucht sicher einen ungeheuren Hass, um so eine Tat zu begehen. Er handelt sehr überlegt. Entweder ist es etwas Persönliches, oder die Mädchen, die er tötet, repräsentieren etwas, was er hasst. Trotzdem muss man sich fragen, was seinen Hass derart angestachelt hat. In Mette Berendsens Fall glauben wir, dass sie etwas Wichtiges gewusst hat, und er sie für immer am Reden hindern wollte. So einfach ist das.«
    »Aber ihr wisst nicht, warum zwei der Mädchen an Bäume gefesselt im Wald ausgestellt wurden. Die Riesenfrau ist in gewisser Weise ja auch öffentlich zur Schau gestellt worden. Nur Cecilie passt nicht, ihre Leiche wurde versteckt«, sagte Kim Hjort laut.
    Per Roland fühlte sich, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen. Es gab ganz einfach zu viele Dinge, die nicht zueinanderpassten. Überhaupt nicht. Roland sah seinen Kollegen an.
    »Hast du sonst noch etwas für mich? Ich würde mich sonst wieder auf den

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