Blutschande
Weg machen.«
Kim Hjort lächelte, und Rolands Gesicht hellte sich auf. Diesen Blick kannte er.
»Du hast etwas?«
»Hautreste unter ihrem Fingernagel«, sagte er dann. »Sie muss ihn im Todeskampf gekratzt haben.«
»Genug für eine DNA-Analyse?«
»Genug für das DNA-Profil deines Täters, ja.«
Per Roland sah Kim an und hätte ihn in diesem Moment küssen können.
»Du bist ein Zauberer.«
»Ganz sicher nicht«, sagte der Rechtsmediziner und gab Roland mit einem Zeichen zu verstehen, dass er verschwinden sollte. »Das war’s, jetzt fangt diesen Teufel endlich.«
Roland nickte. Draußen atmete er tief durch. Die frische Luft tat seinen Lungen gut.
Es gibt immer eine logische Erklärung, dachte er auf dem Weg zurück nach Espergærde. Trotzdem wunderte er sich, dass der Täter dieses Mal so unachtsam gewesen war. Warum hatte er Mette Berendsens Nägel nicht geputzt und gewaschen, wie er es bei Cecilie getan hatte? Da hätte er ja gleich seine Visitenkarte dalassen können. Aber so war es wohl, jeder machte mal einen Fehler.
22
Liv fuhr für ihr Leben gern Auto. Ob das Gefühl der Macht oder das der Freiheit überwog, wusste sie nicht, wohl aber, dass sie dabei Musik hören musste. Laute Musik. Sehr laute. Am liebsten nicht zu harten Rock wie von Chris Daughtry, Hinder oder Nickelback.
In der letzten Zeit hatte sie allerdings auch eine Vorliebe für eine neue Art von Musik entwickelt, so dass jetzt Natasjas Reggaerap durchs Auto dröhnte, als sie mit Per Roland auf dem Beifahrersitz und Max Motor auf der Rückbank losfuhr.
»Ich will nach Kopenhagen zurück, so wie früher, in den guten alten Zeiten«, sang Natasja, und Liv grölte mit. Im wahrsten Sinne des Wortes. »Jetzt guck doch, begreif es, der Staat war okay, sie werden ihn niemals ersetzen können«, sang sie und sah plötzlich zu Roland hinüber, der sich aber so auf seine bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren schien, dass er den provokanten Text gar nicht mitbekam. Es schadet ihm bestimmt nicht, ein bisschen durchgeschüttelt zu werden, dachte sie und sang weiter, während sie in Richtung Hornbækvej abbog.
Kurz darauf bemerkte sie, dass Roland sie ansah.
»Geht’s dir gut?«, fragte er.
»Wieso? Wie meinst du das?«, fragte sie etwas schroff.
»Ich meine nur, du hattest Mette Berendsen ein paar Minuten vor ihrem Tod noch an der Strippe, du könntest dir unter Umständen Vorwürfe machen, nicht schnell genug reagiert zu haben.«
Liv schüttelte den Kopf.
»Das hätte auch nichts genützt. Er war schon da, als sie anrief«, sagte sie und versuchte den Stich in ihrem Inneren zu ignorieren.
»Und du bist dir sicher, dass dir das nicht zusetzt? Das wäre ziemlich normal.«
Liv sah ihn an. Dann bremste sie so hart, dass ihr Passagier nach vorn geschleudert wurde.
»Verdammt, Liv!«, stöhnte Roland.
»Verschon mich mit dieser Psychologenscheiße!«, sagte sie.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Roland. » Ich werde es nicht mehr erwähnen, mein Gott.«
»Du kannst mich einfach Liv nennen«, sagte sie und lächelte. Dann trat sie wieder aufs Gaspedal und zündete sich mit dem Zigarettenanzünder eine Zigarette an.
»Mensch, Liv, kannst du damit nicht warten, bist du allein bist?«, jammerte Per Roland und kurbelte auf seiner Seite die Scheibe bis nach unten herunter.
Max Motor war auch nicht besser.
»Warum müssen wir anderen leiden?«
Liv sah ihre Mitfahrer an und lachte.
»Mein Gott, was habe ich denn da für Schulmädchen im Auto? Bis vor einem Jahr war Rauchen noch vollkommen normal, jetzt ist es fast schon verboten, sich mal eine Kippe zur Entspannung zu gönnen.«
»Ist es wirklich so entspannend, quälend langsam an einer Raucherlunge einzugehen?«, fragte Max.
Liv streckte ihm die Zunge raus, schob die Zigarette in den Mundwinkel, blinkte, schaltete herunter und hielt vor einer roten Ampel, wo sie aus dem Fenster aschte.
»He, und dann geben sie das Jugendzentrum dieser fanatischen Sekte mit dem Kreuz im Arsch, das ist gemein!«, rappte sie weiter und erinnerte sich an ihre Jugend. Damals hatten sie geglaubt, die Welt mit ihren Aktionen ändern zu können. In Wirklichkeit aber hatte sie wohl wie so viele andere in dem Alter bloß die Spannung und den Kick gesucht.
»Wir wollen das Zentrum zurück, das Zentrum, gebt uns unser Zentrum zurück!«, sang Liv und machte die Musik aus. Dann bog sie erst in den Strandvej und dann in den Gammel Strandvej, ließ den Wagen vor dem schmiedeeisernen Gitterzaun der Adelskovs
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