Blutschnee
Bezirksverwaltung habe die Straße unmittelbar nach ihrer Durchfahrt sperren lassen. Und ihr Van sei in der Einfahrt stecken geblieben.
Auf gut Glück wählte Joe eine zweite Nummer.
»Büro des Bezirksstaatsanwalts.«
»Robey? Sind Sie das?«
»Ah, Joe …«, erwiderte Hersig so, als würde er mit jedem anderen lieber sprechen als mit ihm.
»Robey, Sie müssen mir helfen.«
Stille.
»Robey?«
»Nach allem, was Sie heute Morgen gesagt haben, sollte ich nicht mal mit Ihnen reden, Joe. Wie Sie mich behandelt haben! Ich gehe einfach mal davon aus, dass Sie im Moment etwas von der Rolle sind. Soll ich das tun?«
Joe nickte, obwohl Hersig das nicht sehen konnte. »Ich schätze, davon können Sie ausgehen. Ich schätze, das passiert, wenn ich mich auf ein Blutbad gefasst mache.«
»Ach, verflixt, Joe …«
»Robey.«
»Was?«
»Sammeln Strickland und Munker weiter ihre Truppen? Trotz des Wetters, meine ich.«
»Sie dürfen bei dieser Besprechung nicht mehr aufkreuzen, Joe. Sollten Sie sich blickenlassen, werden Sie wahrscheinlich verhaftet.«
»Das heißt also: Ja.«
»Ja!«
Joe hielt mitten auf der Straße. Es gab keinen Verkehr, den er hätte behindern können. »Wie wollen sie in die Berge kommen?
Ich habe gerade mit Marybeth telefoniert und erfahren, dass die Bighorn Road schon gesperrt ist.«
»Ich kenne nicht alle Einzelheiten, Joe. Das ist nicht gerade meine Baustelle. Aber ich habe Barnum erneut die Schneeraupen anfordern hören. Und das Sheriffbüro hat seine eigenen Motorschlitten. Soweit ich weiß, setzen sie sich in Bewegung, sobald sie genug Fahrzeuge beisammenhaben.«
Denk nach!
Der Ort, an dem Joe die Dachdecker Rope Latham und Spud Cargill erstmals zusammen gesehen hatte, war die Erste Gebirgskirche von Saddlestring gewesen, und zwar beim Gottesdienst an Heiligabend. Damals hatten die Souveränen ihn beunruhigt, und er hatte nicht mehr daran gedacht, dass auch die beiden Handwerker zugegen gewesen waren.
Zwei alleinstehende Männer und Geschäftspartner waren zusammen in die Kirche gegangen. Schon das war etwas ungewöhnlich. Und obwohl er die beiden nicht gut kannte, vermochte er doch zu sagen, dass sie keinerlei Zeichen von tiefer Religiosität an den Tag legten. In solchen Dingen kann man sich zwar nie sicher sein, dachte Joe, doch keiner der beiden scheint das Geschäft oder sein Leben irgendwie gottesfürchtig anzugehen. Unbezahlter Rechnungen wegen einen Menschen zu ermorden und einen anderen in einen Hinterhalt zu locken, waren nicht gerade christliche Werke.
Doch die Erste Gebirgskirche war mehr als nur eine weitere Glaubensgemeinschaft. Sie war »unkonventionell«. Joe hatte gehört, die wöchentlichen Predigten von Pfarrer B. J. Cobb bestünden zur einen Hälfte aus der Verkündung des Evangeliums, zur anderen aus Tiraden, deren Tenor »Gott strafe die Regierung« lautete.
Er vermutete, dass genau diese Hetzreden Spud Cargill angelockt hatten.
Joe wendete mitten auf der Straße und spürte das Heck des Pick-ups schlingern. Als die Räder wieder griffen, lenkte er in hohem Tempo auf den Ostrand der Stadt zu.
Ein Vorteil des Sturms, dachte Joe, ist, dass er alle Leute in ihren vier Wänden hält. Normalerweise hätte er auf der Suche nach dem Pfarrer diverse Baustellen abfahren müssen, auf denen Cobb mit seinen Leuten Schweißarbeiten erledigte. Heute dagegen würde er sehr wahrscheinlich genauso zu Hause sein wie die übrigen Bewohner von Saddlestring. Joe würde ihn also in seinem transportablen Fertighaus antreffen, das hinter der Kirche stand.
Joe parkte vor der Kirche und watete durch den Schnee zu Cobbs Behausung. Rings um beide Gebäude waren keine frischen Spuren zu sehen. Ein Motorschlitten war aus der Garage gefahren worden und stand nahe der Straße – eine kluge Vorsichtsmaßnahme für den Notfall.
Er klopfte an die Metalltür und wartete.
B.J. Cobb öffnete ihm. Er trug einen abgewetzten Frotteebademantel über einem Pulli und einer Malerhose, die voller weißer Flecken war. Er war unrasiert. Der Geruch köchelnden Chilis drang aus der Tür.
»Hallo, Sir«, begrüßte Cobb ihn nicht unfreundlich.
Joe nickte und sagte, er habe ihn eigentlich nicht zu Hause belästigen wollen. »Darf ich Ihnen dennoch ein paar Fragen stellen?«
Cobb lächelte und spähte über Joe hinweg in das Schneetreiben. »Mir scheint, Sie sollten daheim bei Ihrer Familie sein, anstatt sich in diesem Unwetter herumzutreiben.«
»Wenn Sie mich reinlassen, wäre in dieser Hinsicht
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