Blutschnee
zu Rinnsalen, die ihm in den Kragen liefen. Nun erst begriff er, dass es mehr schaden als nützen mochte, Lamar auf diese Art fortzuschaffen, doch er sah keine andere Möglichkeit.
So schwer Joe auch atmete, achtete er dabei doch auf Lebenszeichen von Gardiner. Stattdessen aber hörte er, als er sich durch eine beschattete Schonung schleppte, das Geräusch des Todes. Ein tiefes, flatterndes Röcheln drang aus Gardiners Kehle, und Joe spürte ihn erschlaffen (oder glaubte doch, es zu spüren). Jetzt hatte er keinen Zweifel mehr daran, dass Lamar Gardiner tot war.
Endlich erreichte er die Straße und seinen Pick-up. Der Schnee bedeckte bereits Dach und Motorhaube. Joe lehnte Gardiners Leichnam so würdevoll wie möglich ans Vorderrad, öffnete die Beifahrertür und wollte ihn auf den Sitz heben, doch die Kälte und der Tod hatten Lamars lange Beine erstarren lassen, so dass die Knie sich nicht beugen ließen. Der Leichnam verharrte in der Position, die er über Joes Schulter angenommen hatte. Damit lagen Gardiners gestreckte Arme parallel zu den Beinen; der Kopf war etwas zur Seite geneigt, als wollte er an seiner Achselhöhle riechen.
Für einen kurzen, furchtbaren Moment sah Joe sich von oben, wie er sich mühte, den Leichnam zu beugen oder zu brechen, um ihn ins Führerhaus seines Pick-ups zu bekommen, während dichter Schnee ihn umwirbelte.
Angesichts dieser Vision gab er auf, zog Gardiners Leichnam
zum Heck des Wagens und öffnete die hintere Klappe. Um Platz zu schaffen, wuchtete er ein noch warmes Wapiti vom Pick-up. Das Tier landete dumpf am Boden. Dann hob er den Toten auf die Ladefläche und legte ihn neben den verbliebenen Kadaver. Gardiners Augen waren aufgerissen, seine Lippen geschürzt.
Joes Muskeln zuckten und schmerzten vor Anstrengung. Aus dem Kragen und vom Kopf dampfte ihm der Schweiß. Er schloss die Heckklappe und deckte den Leichnam, so gut es ging, mit zwei Decken und einem Schlafsack zu. Danach durchsuchte er die Werkzeugkiste auf der Ladefläche, fand einen Bolzenschneider, wünschte, er hätte früher daran gedacht, und trennte die Kette der Handschellen durch. Schließlich schraubte er das Steuer wieder an die Lenksäule, sank völlig erschöpft in den Fahrersitz und ließ den Wagen an.
Als er den oberen Rand der Senke erreichte, war es dunkel. Mit Gardiners Leiche und dem verbliebenen Wapiti fuhr er den Berg hinunter und hielt mehrmals an, um den Straßenverlauf zu erkunden. Auf der Ladefläche mischte sich das Blut Gardiners und das des Tiers mit Schnee und füllte die Blechrillen. Immer wenn er bremste, schwappte rötliche Flüssigkeit unter der Heckklappe hindurch in den Schnee.
Auf der Rückfahrt fragte er sich, wie Mrs. Gardiner es aufgenommen hätte, wenn ihr Mann über Nacht am Baum geblieben wäre. Im Wald lebten Coyoten, Wölfe, Raben, Greifvögel und andere Raubtiere, die die Leiche wohl aufgespürt und sich an ihr gütlich getan hätten. So ist es am besten, dachte er trotz der schaurigen Umstände, unter denen er Gardiner geborgen hatte.
Der Sturm nahm Joe den Blick nach draußen, und er hatte alle Hände voll damit zu tun, auf der Straße zu bleiben. Im Scheinwerferlicht wirkte das Schneetreiben hypnotisierend. Hinter den angeleuchteten Flocken allerdings war nichts zu erkennen. Da es weder Pfähle noch Wegweiser gab, an denen er sich hätte orientieren können, schaltete Joe die Lichter aus, löschte das schwindelerregende Schneefeuerwerk und lenkte nach Gefühl. Knisterten Salbeisträucher unter den Reifen, suchte er nach der Straße und sandte stets ein dankbares Gebet zum Himmel, wenn sein Wagen auf den Weg zurückfand.
Normalerweise hätte er in der Ferne die Lichter von Saddlestring im Tal erkennen können, die von hier oben wie Pailletten auf schwarzem Filz wirkten. Doch er sah nicht das Geringste. Dafür hörte er die Soße auf der Ladefläche nun, da es bergab ging, gegen das Führerhaus schwappen.
Seine Lage war so unerträglich wie beängstigend. Nun erst merkte er, dass er noch immer einen blutgetränkten Handschuh trug und seine nackte Hand von geronnenem Blut ganz rot war.
»Hol dich der Teufel, Lamar«, sagte er laut, »hol dich der Teufel!« Maxine blickte teilnahmsvoll zu ihm auf.
Da er inzwischen wieder Funkkontakt haben musste, griff er zum Mikrofon und legte sich die Worte zurecht, mit denen er das, was geschehen war, melden würde.
O.R. »Bud« Barnum – der altgediente Sheriff von Twelve Sleep County, mit dem er schon früher
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