Blutschnee
lässt der Einsatz sich nicht durchziehen.«
»Mensch, Joe, ich erkenne meine Leute doch nicht mal«, erwiderte der Sheriff, ohne seinem Blick auszuweichen. »Die sehen hier oben schließlich alle gleich aus.«
Joe war einen Moment lang zu baff, um zu reagieren.
»Außerdem«, sagte Barnum und langte nach dem Türgriff, »ist es spannend zu beobachten, wie die Sache sich entwickelt. «
Er warf die Tür zu, ehe Joe ihn daran hindern konnte, und schon schnappte das Schloss ein. Joe vermochte nicht zu fassen, was geschah. Wütend und deprimiert stand er im Schnee vor der Raupe.
Denk nach!
Er war außer sich. Was er auch tat: Es genügte nicht. Er war noch nie in einer Lage gewesen, die ihm so … unausweichlich erschienen war.
Ein Rauschen unterbrach die Stille, die sich nach Joes Ausbruch über die Szene gelegt hatte. Er konnte das Funkgerät durch ein daumenbreit geöffnetes Raupenfenster hören.
»Ich erkenne Wade Brockius in einem Wohnwagen«, teilte Munker über Funk mit. »Er geht auf und ab.«
»Sehen Sie die Geisel?«, fragte Strickland.
»In den letzten Minuten nicht.«
»Wenn Sie ihn kaltstellen würden – könnten wir dann den Wohnwagen stürmen und sie retten?«
»Nein. Zwischen den Bäumen sind zu viele Souveräne versteckt. «
Joe konnte nicht glauben, was er hörte. Er hatte sich gegen das Führerhaus der Raupe sinken lassen, richtete sich nun aber wieder auf und rieb sich das Gesicht. Er wusste nicht, wie man bei Geiselnahmen vorging – so etwas bekamen Jagdaufseher nicht beigebracht –, doch so sicher nicht! Das war Wahnsinn.
Er kramte sein kleines Fernglas hervor, entfernte sich ein Stück von der Raupe und musterte dabei das Lager. Die Kupplung
von Brockius’ Wohnwagen wies zur Straße. Durch die dünnen Vorhänge konnte er ihn ausmachen.
Dann sah er noch jemanden.
Jeannie Kelley zog die Vorhänge beiseite und blickte hinaus. Ihre Miene wirkte angespannt und wütend. Unter ihrem Kinn tauchte ein weiteres Gesicht auf, kleiner und bleicher: April.
»Geben Sie einen Warnschuss ab«, sagte Strickland ins Funkgerät.
»Einen Warnschuss?«, schrie Joe. »Was soll …«
Schon bemerkte er hinter einem Strauchdickicht Bewegung im Graben. Der schwarze Lauf eines Gewehrs glitt durchs Weiß ringsum und nahm das Fenster des Wohnwagens ins Visier. »Nein!«, schrie Joe, rannte unwillkürlich aus dem Schutz der Fahrzeuge auf den Schützen zu und beobachtete entsetzt, wie der Lauf auf einem Punkt verweilte. Dann krachte ein Schuss, rollte durch die Berge und riss den traumhaften Morgen gewaltsam aus dem Schlaf.
Gleich nach dem Schuss begriff Joe, dass er sich ganz ungeschützt auf die Straße begeben hatte, die das Angriffsteam von den Souveränen trennte, die sich irgendwo vor ihm versteckt hielten. Vielleicht sind sie so entsetzt wie ich, dachte er – schließlich hat keiner zurückgefeuert.
Doch durch den dämpfenden Schneefall und das schwache Echo des Schusses hindurch drang ein Zischen. Joe brauchte einen Moment, um sich darauf zu konzentrieren, und begriff dann, dass es von einem beschädigten Rohr kam, das am Gastank neben Brockius’ Wohnwagen entsprang. Das dünne Kupferrohr stieg aus dem Schnee und bog sich dem Wohnwagen wie eine aufgebrachte Klapperschlange zu. Ein Loch klaffte jetzt zwischen dem Rohr und dem Anschluss am Wohnwagen, wo das Rohr hätte befestigt sein sollen: Gas drang mit Hochdruck durch die Lüftungsschlitze in den Caravan.
Nein, dachte Joe – Munker kann doch nicht …
Eine flirrende Bewegung im Wohnwagen. Dann knallte es auch schon. Die Explosion schien alle Luft ringsum zu verbrauchen. Das Glas der Fenster regnete in den Schnee, und zwei Reifen platzten, so dass der Wohnwagen sich wie ein verwundetes Tier auf die Seite neigte. Das aus dem Rohr strömende Gas hatte Feuer gefangen und sich in eine Flamme verwandelt, die an der Metallhaut des Caravans leckte.
Plötzlich stürmte eine brennende Gestalt aus dem Wagen, drehte sich mehrmals um sich selbst und sank in den Schnee.
Joe stand wie gelähmt da und starrte auf das Fenster, an dem er April zuletzt gesehen hatte. Es war nur noch ein loderndes Loch.
Er bewegte sich auch nicht, als aus dem Lager vor ihm und vom Angriffsteam hinter ihm Schreie losbrachen, als Souveräne, die hinter Bäumen und im Schnee versteckt waren, Fluche brüllten und zurückfeuerten und ihre Kugeln durch die Fenster der Raupen pfiffen oder von deren Metallgehäuse abprallten.
Die Gastanks in der Nähe des brennenden Wagens
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