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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Haare, Textilfasern, Blut – waren vom Schnee begraben oder vom Wind verstreut.
    Joe spürte, dass Lamar Gardiners Mörder nicht unter Schuldgefühlen litt – anders als viele Jäger, die sich selbst anzeigten. Der Killer kam vermutlich aus der Gegend, war womöglich jemand, den Joe kannte, vielleicht jemand, der auch andere töten würde, wenn er sich bedroht fühlte. Ein Mensch ohne Gewissen. Und er war dort draußen – geschützt von der Wut des Sturms.

    Vor dem Frühstück zog Joe sich in sein Büro zurück, um für seinen Vorgesetzten Terry Crump den Bericht über Lamars Ermordung zu tippen. Er konnte ihm den Text nicht mailen, ehe die Telefonleitungen nicht wieder in Betrieb waren, doch er wollte die Einzelheiten aufschreiben, solange sie ihm noch lebhaft vor Augen standen. Als einer von nur fünfundfünfzig Jagdaufsehern in ganz Wyoming hatte Joe einzigartige Pflichten. In seinem Bezirk arbeitete er praktisch allein. Sein Büro befand sich in einem kleinen Raum gleich neben dem Wohnzimmer des Hauses, das zugleich seine Dienstwohnung war, und er hatte keine Angestellten für die Verwaltungs – und Sekretariatsarbeiten. Marybeth und manchmal auch Sheridan nahmen Anrufe für ihn entgegen und dienten ihm als unbezahlte Hilfskräfte.
    Die Tätigkeit als Jagdaufseher in Wyoming sollte zu drei
gleichen Teilen aus Publikumsverkehr, Überwachung des Jagdbetriebs und Verfolgung von Verstößen gegen die Jagd-und Angelgesetze bestehen, wobei keine der drei Aufgaben mehr als je fünfunddreißig Prozent der Arbeitszeit in Anspruch nehmen sollte. Es wurde erwartet, dass sich die gleichmäßige prozentuale Verteilung übers Jahr hin einpendelte. Joe arbeitete zwischen 173 und 259 Stunden im Monat und bekam dafür vom Staat Wyoming 32 000 Dollar pro Jahr sowie Dienstwohnung und Dienstfahrzeug. Sein direkter Vorgesetzter war Terry Crump, ein Jagdaufseher, der im vierhundert Kilometer entfernten Cody stationiert war. Als Vorgesetzter trat Crump aber praktisch nie in Erscheinung. Er rief nur gelegentlich an oder meldete sich per Funk – meist, nachdem Joe ihm seinen monatlichen Bericht als Mailanhang geschickt hatte. Im Allgemeinen wollte Terry dann nur etwas herumflachsen oder Gerüchte aus der Wild – und Fischbehörde austauschen. Er hatte Joe nie getadelt, auch nicht, als dessen Aktivitäten die Bürokraten in der Zentrale in Cheyenne auf die Palme gebracht hatten. Obwohl Joe zuweilen mit dem Büro des Bezirkssheriffs, der Polizei in Saddlestring oder sogar mit der US-Naturschutzbehörde, der Bundesforstverwaltung, dem Bundesamt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe oder dem FBI zusammenarbeitete, war er fast immer auf sich gestellt. Er mochte seine Selbstständigkeit – auch wenn sie zu Problemen führen konnte, die dann zutage traten, wenn er in Situationen wie die vom Vortag geriet.
    Joe beendete gerade seinen Bericht, als er aufblickte und Sheridan, April und Lucy auf der Schwelle stehen sah. Sie hatten noch immer Pyjama und Hausschuhe an.
    »Wenn wir nicht bald frühstücken, werde ich ohnmächtig«, sagte Lucy theatralisch.

    Das Frühstück ging ziemlich gut über die Bühne, denn die Begeisterung der Kinder färbte auf die Erwachsenen ab. Joe warf ihnen vom Herd aus Pfannkuchen zu, und sie fingen sie kreischend mit ihren Tellern auf. Seiner Frau und Missy Vankueren brachte Joe die Pfannkuchen an den Tisch. Missy stocherte in ihrem Essen herum und verzichtete auf durchwachsenen Speck und Ahornsirup.
    »Weißt du überhaupt, wie viel Gramm Fett in diesen Pfannkuchen steckt?«, fragte sie ihn.
    Die Mädchen sahen auf und warteten auf Antwort. Er enttäuschte sie nicht.
    »Zehntausend pro Stück?«, überlegte er.
    Darüber lachte selbst Marybeth. Missy zog ein abweisendes Gesicht.
    Für seine Mädchen schuf ein Sturm, der die Erwachsenen zwang, im Haus zu bleiben, mit ihnen zu spielen und für sie zu kochen, die beste aller möglichen Welten. Und die Weihnachtsdekoration, die in Geschenkpapier gewickelten Pakete unterm Tannenbaum und sogar der unerwartete Besuch ihrer Großmutter erzeugten eine geradezu perfekte Stimmung. Sheridan sagte, sie liebe Stürme, und verkündete, je schlimmer das Unwetter sei, umso mehr gefalle es ihr.
    Während die Mädchen aßen, inspizierte Marybeth Vorratskammer und Kühlschrank und erklärte sichtlich erleichtert, sie hätten genug zu essen und zu trinken im Haus, um einige Tage zu überstehen. Joe ergänzte, die Tiefkühltruhe in der Garage sei mit Steaks, Braten und

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