Blutschnee
Brazille zurück. »Wir haben gerade erfahren, dass ein Rancher am Abend von Gardiners Ermordung ein Auto zu der Zeit aus den Bergen hat kommen sehen, zu der auch Sie auf dem Rückweg waren. Er hat Wagen und Fahrer erkannt: einen knallharten Burschen, der allein am Ende der Welt lebt. Also müssen wir zurück ins Tal und uns neu formieren. Und wissen Sie was?«, setzte Brazille hinzu. »Der Mann jagt mit Pfeil und Bogen.«
Dann hörte Joe auch Stricklands Stimme: »Schnappen wir uns den Mistkerl.«
Als Joe zurückkehrte, trotteten die Ermittler bereits zu den Schneeraupen und schleppten das Stück Baumstamm, in dem die Pfeile steckten. Joe fuhr zwischen den Männern und den Raupen hin und her und nahm Einzelne auf dem Schlitten mit. Dann wurden die Raupen angelassen und setzten sich in Bewegung, doch gleich darauf bremste das erste Fahrzeug wieder. Der Fahrer kletterte heraus und spähte unter seine Raupe. Joe stieg ebenfalls aus und gesellte sich zu ihm. Auch Melinda Strickland fand sich ein.
»Oha, tut mir wirklich leid«, sagte der Fahrer; er war sichtlich
durcheinander. »Ich hab den kleinen Hund direkt vor meine Raupenketten flitzen sehen und den Schlag gespürt, ehe ich reagieren konnte.«
Joe hockte sich hin, versuchte, unter den schweren Ketten etwas von dem Hund zu finden, und entdeckte ein Büschel Haare im Schnee. Auch eine reglose Pfote des Yorkshire Terriers lugte unter der Raupenkette hervor.
Er machte sich auf ein Donnerwetter gefasst, doch es blieb aus.
»Laufen konnte der Hund nur dort, wo die Raupen den Schnee zusammengedrückt haben; sonst ist er zu tief«, sagte der Fahrer. Joe bemerkte, dass ihm Tränen in den Augen standen; er wirkte, als müsste er sich übergeben.
Auch andere Ermittler waren ausgestiegen, standen vor der ersten Raupe und blickten auf die Reste des Terriers.
»Wie kam der Hund aus der Raupe?«, fragte Joe.
»Ich hab ihn gar nicht erst reingelassen«, erwiderte Strickland.
Joe überlief ein Frösteln, das mit der Kälte nichts zu tun hatte.
»Ma’am, es tut mir wirklich …«, begann der Fahrer, doch Strickland winkte bloß ab. Joe beobachtete, wie sie unbeholfen durch den Schnee zu ihrer Raupe zurückstapfte. Ob sie bekümmert war, vermochte er nicht zu sagen.
Doch beim Einsteigen warf sie den Männern, die noch immer im Schnee standen, einen verärgerten Blick zu.
»Wir dürfen keine weitere Zeit verschwenden«, fuhr sie sie an. »Lamar Gardiners Mörder wird nicht auf uns warten.«
Die Männer zögerten noch kurz, dann stapften sie schweigend zu den Raupen zurück. Das erste Fahrzeug ruckte an und setzte seinen Weg fort. Von der zweiten Raupe aus sah Joe etwas Flaches, Braunes, Kuchengroßes in der Kettenspur
liegen. Er zuckte zusammen, als er darüberrollte, doch diesmal gab es keinen Stoß.
Der Verdächtige hieß Nate Romanowski und lebte auf einem kleinen Stück Land am Fluss südlich von Saddlestring. Joe hatte seinen Namen bereits gehört, konnte ihn aber nicht zuordnen. Die Fahrzeugkolonne bewegte sich über eine Bezirksstraße zu Romanowskis Haus.
Sheriff Barnum hatte über Funk einen Schneepflugfahrer verständigt, um die Straße zum Fluss räumen zu lassen. Als er und seine Hilfssheriffs, die Kriminalpolizisten und Joe Pickett endlich wieder in ihren Autos saßen, berichtete der Fahrer, er habe schon drei Viertel der Strecke geräumt. Er machte sich gerade an das letzte Stück, als die Karawane allradgetriebener Fahrzeuge ihn einholte und ihm langsam folgte.
Während der Pflug laut vor ihnen her rumpelte und sturmgehärtete Schneeplatten wie Winterfliesen aufs Bankett warf, bekam Joe immer mehr den Eindruck, am langsamsten Einsatz der Polizeigeschichte teilzunehmen.
Während der Fahrt hatte er dem Funkverkehr zugehört. Ein Rancher aus der Gegend, Bud Longbrake, hatte der Frau in der Zentrale mitgeteilt, er habe nach seinem Vieh auf der Winterweide am Zusammenfluss von Bitter Creek und Crazy Woman Creek geschaut, als der Sturm losgebrochen war. Er habe im dichten Schneefall die Orientierung verloren, sei falsch abgebogen, habe sich kurz verfahren, sei dann aber auf die Straße gestoßen, die vom Wolf Mountain herunterführte, und habe wieder gewusst, wo er sei. Als er im Blizzard auf die Straße bog, sei ihm fast ein Jeep älteren Baujahrs, der talwärts raste, in die Seite gefahren. Als der Jeep an ihm vorbeigebraust sei, habe er den Fahrer im Scheinwerferlicht deutlich sehen
können und das Profil und den blonden Pferdeschwanz erkannt. Es sei
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