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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Nun begriff auch Joe, welch effiziente, kaltblütige Anwältin sie geworden wäre.
    Marybeth schaltete das Licht über dem Schminkspiegel aus und legte sich ins Bett. Joe schloss sie in die Arme.
    »Wir werden April zurückbekommen«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Wir werden sie zurückbekommen, Joe.«
    In der Nacht verließ sie dreimal das Zimmer. Joe schlief so unruhig, dass er immer wieder davon aufwachte. Er wusste, was sie tat: Sie überzeugte sich davon, dass ihre zwei anderen Mädchen noch da waren.

21
    Am Freitagabend fand die öffentliche Versammlung zu den Straßensperrungen in den Bundesforsten statt, und zwar in der Cafeteria der Highschool von Saddlestring. Joe Pickett traf reichlich spät ein. Er fand eine Lücke in der letzten Reihe des Parkplatzes und trottete zwischen den Autos hindurch auf das Gebäude zu. Es war bitterkalt und klar. Die Sterne funkelten in stechendem Blau-Weiß, und ein überlasteter Transformator an einem Lichtmast surrte durch die Nacht. Peitschenlampen warfen frostige Lichtflecke auf die verschneite und vereiste Schotterfläche. Der vom US-Wetterdienst vorhergesagte Sturm hatte die Bighorns allenfalls gestreift und sich mit voller Wucht auf die weiter westlich gelegene Teton Range, die Absaroka und die Wind River Mountains geworfen. So hatte das Twelve Sleep Valley nur ein wenig Pulverschnee und Minustemperaturen von unter fünfzehn Grad abbekommen.
    Bevor er sein Büro daheim verließ, hatte Joe seinem Vorgesetzten einen Bericht gesandt, in dem er seine Zweifel an Nate Romanowskis Schuld darlegte und die Vermutung aussprach, es gebe eine Verbindung zwischen dem Mord an Lamar Gardiner und Birch Wardells Unfall in den Breaklands. Joe schrieb, er habe nicht genug Fakten, um seinen Verdacht dem Sheriff oder Melinda Strickland zu unterbreiten, hoffe aber, den Fahrer des hellen Fahrzeugs aus der Reserve zu locken. Er beendete seinen Bericht an Terry Crump mit der Bemerkung, dass er aufgrund persönlicher Umstände in Zusammenhang mit seiner Pflegetochter demnächst womöglich um Urlaub bitten müsse. Nach Absenden der Mail hatte er sich seinen Parka geschnappt und war durch die
Kälte zu seinem Pick-up gestapft, um zu der Versammlung zu fahren.

    Den vielen Wagen auf dem Parkplatz zufolge war die Versammlung stark besucht. Ein Schwall warmer Luft schlug Joe entgegen, als er die Tür zur Cafeteria öffnete. Der Raum war voller Einheimischer, die auf Metallklappstühlen saßen. Diese Leute waren eindeutig viel im Freien: Jäger, Angler, Ausrüster, Rancher. Die meisten trugen dicke Jacken, Stiefel und Bart. Melinda Strickland stand an einem Pult und redete. Hinter ihr waren Landkarten an die Wand geheftet. Joe arbeitete sich zur Rückwand der Cafeteria durch. Ein paar Männer, die er kannte, nickten ihm zu.
    Melinda Strickland hatte das Verlesen der Tagesordnung unterbrochen. »Schön, dass Sie kommen konnten, Joe!«, rief sie ihm überraschend herzlich entgegen.
    Joe winkte knapp und spürte sich erröten, als fast hundert Gesichter sich kurz zu ihm umwandten. Er überlegte flüchtig, warum Strickland ihn so herzlich in aller Öffentlichkeit begrüßt hatte, doch als einige Leute ihn mit zusammengekniffenen Augen weiter musterten, verstand er den Grund: So hatte sie der Menge zu verstehen gegeben, dass er auf ihrer Seite war. Diese Erkenntnis ließ ihn frösteln.
    Einige Männer waren an der Rückwand des Raums postiert und beobachteten die Anwesenden. Zwei davon – einer mit gelockten grauen Haaren, der andere mit Falkenaugen – hatten die Arme verschränkt und konnten ihr Grinsen kaum verbergen. Joe erkannte in ihnen die Männer, die Sheridan nach dem Weg zur Bundesforstverwaltung gefragt hatten. Elle Broxton-Howard – ganz in Schwarz und mit Vliesweste – stand in der Nähe, sah klasse aus und machte sich mit
ernster Miene Notizen. Robey Hersig, der Bezirksstaatsanwalt, trug noch immer die Sachen, mit denen er ins Büro gegangen war, und hielt sich etwas abseits. Joe gesellte sich zu ihm.
    »Gibt’s Fortschritte in puncto April?«, flüsterte Hersig ihm von der Seite her zu.
    Joe schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Es ist eine Frage der Zeit«, meinte Hersig. »Das hab ich Marybeth schon gesagt. Falls wir es schaffen, Jeannie wegen Missbrauch oder Vernachlässigung anzuklagen, können wir eingreifen und das Kind zurückbekommen.«
    Joe stierte ihn an und merkte, wie ihm der Kamm schwoll. »Na toll, Robey. Dann hoffen wir mal, dass April missbraucht oder

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