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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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fertig war, bat er Jeannie, das Büro zu verlassen, damit er sich mit Clem beraten könne.
    Nach kaum zehn Minuten war Clem aus dem Büro gekommen, hatte ihr zugenickt und gesagt, alles werde gut.
    »Ich habe Ihnen wie gewünscht das Sorgerecht für Ihre Tochter zugesprochen«, sagte Richter Oliver mit seiner pfeifenden Stimme zu Jeannie. »Meine Sekretärin fertigt das Schriftstück im Moment aus, und wir faxen es dann sofort nach Saddlestring.«
    Jeannie jauchzte geradezu vor Freude und streckte ihm über den Schreibtisch hinweg die Hand entgegen, um seine riesige, krebsgleiche Rechte zu schütteln. Richter Oliver hatte sie ungeheuer glücklich gemacht, und sie war ihm sehr dankbar.
    Oliver lächelte zurück, schaute dabei aber Clem an.
    Der führte Jeannie in einen Winkel des Büros, während der
Richter am Schreibtisch blieb. Als sie sich Clem zuwandte, wusste sie sofort, dass er etwas Schlimmes getan hatte.
    »Der Richter erwartet für seine Gefälligkeit eine Gegenleistung«, flüsterte er ihr nervös zu. »Ich hab ihm gesagt, dass wir nicht viel zahlen können.«
    »Clem, du Arsch«, wisperte Jeannie wütend zurück, »wir können ihm gar nichts zahlen!«
    Er zögerte, schluckte und zerrte an seinem Kragen.
    »Jetzt sag schon, du Mistkerl«, flüsterte sie so laut, dass der Richter es hören konnte.
    Clem musterte nur stumm seine Stiefelspitzen. Dann begriff sie. Der Richter erwartet eine Gegenleistung.
    Sie drehte sich um und lächelte Oliver honigsüß an.
    »Ich warte draußen im Pick-up auf dich«, murmelte Clem und blickte weiter zu Boden.
    »Das will ich dir auch schwer geraten haben«, sagte Jeannie über die Schulter und lächelte dabei mit zusammengebissenen Zähnen.

    »Ich versteh nicht, warum du sie direkt aus der Schule holen willst«, sagte Clem. »Mit diesem Beschluss kannst du sie doch von den Picketts aus mitnehmen.«
    Jeannie seufzte und verdrehte die Augen. »Clem, manchmal bist du noch blöder als sonst.«
    Er blickte getroffen beiseite.
    »April war drei lange Jahre bei ihnen«, sagte sie. »Willst du wirklich ein heulendes, brüllendes Kind bei denen aus dem Haus zerren?«
    Clem runzelte die Stirn. »Aber du bist ihre Mutter. Sie wird mit dir gehen wollen.«
    Sie funkelte ihn zornig an. »Wer weiß, wie viel Mist und
Blödsinn sie ihr über mich eingeredet haben und was sie ihr heute Abend sagen werden – jetzt, wo sie wissen, dass wir diesen Gerichtsbeschluss erwirkt haben.«
    Clem schüttelte verwirrt den Kopf, doch es war klar, dass er nicht mit ihr streiten wollte.
    »Dieser Beschluss bedeutet vor allem«, fuhr Jeannie fort, »dass sie April nicht zurück bekommen können.«
    Clem senkte den Blick. »Es tut mir bloß leid, was du hast tun müssen, um diesen Wisch zu bekommen.«
    Jeannie schnaubte. »Ich hab schon Schlimmeres getan.«

    Ausnahmsweise einmal hatte Jeannie Keeley Glück. Sie kannte die Schule gut genug, um direkt ins Sekretariat zu marschieren, ohne jemanden nach dem Weg fragen zu müssen.
    Ihre Absätze klapperten auf dem Fliesenboden, und ihr grünes Kleid raschelte geradezu vor Entschlossenheit, als sie über den Flur schritt. Die meisten Klassenräume standen offen, und Kinder – und Lehrerstimmen drangen auf den Gang wie bei einem Radio im Sendersuchlauf.
    Im ansonsten menschenleeren Büro saß die Sekretärin hinterm Tresen an einem Computer. Jeannie hatte lange über ihr Vorgehen nachgedacht. Sie war in einer Kleinstadt. Hier kannte fast jeder jeden. Vier Jahre lang war sie nicht in dieser Schule gewesen, seit Aprils Kindergartenzeit. Sie bezweifelte, genügend Eindruck hinterlassen zu haben, dass man sich ihrer erinnerte. Als sie schließlich entschied, was sie machen würde, war es einfach. Sie handelte gemäß dem Grundsatz: Was würde Marybeth Pickett tun? Als die Sekretärin aufsah, lächelte Jeannie.
    »Hallo mal wieder. Ich bin April Keeleys Mutter«, sagte sie so ungezwungen und zuversichtlich, als müsste ihr Gegenüber
sich schämen, wenn es sie nicht erkannte. »Dritte Klasse. Ich bin hier, um meine Tochter zum Zahnarzt zu bringen.«
    Die Frau sah verwirrt drein und steckte die Nase in einen Spiralnotizblock. »Ich vertrete die Sekretärin nur; sie hat sich in den Ferien eine Grippe eingefangen«, erklärte sie. »Ich bin noch dabei, mich einzuarbeiten.«
    Jeannie musste sich beherrschen, um nicht loszujubeln, und hoffte, nicht allzu erleichtert zu wirken.
    Was würde Marybeth Pickett tun?
    »Kein Problem«, erwiderte sie. »Ich hab April die

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