Blutschuld
verstaut hatte.
Über die Dinge, die diese Naomi Ishikawa mit ihrem Sohn angestellt hatte.
Was sie plante, darüber hinaus an Dingen mit ihrem Sohn anzustellen.
Die Augen der Blonden strahlten. »Lillian, bitte, wenn Sie mögen.« Sie schüttelte ihr die Hand, ein fester, aber dennoch sehr weiblicher Händedruck. Die Hände waren schmal, die Finger feingliedrig und lang, die Fingernägel manikürt, aber nicht lackiert. Ein schmaler Goldring steckte an ihrem Ringfinger, der Zwilling von Gemmas gewirktem Band aus demselben Edelmetall.
»Lillian«, wiederholte Naomi pflichtschuldig. Sie drehte ihr Lächeln auf eine Sonnenbrand verursachende Wattzahl hoch und wandte sich Phin zu. Er zwinkerte ihr zu. »Ich wär dann so weit, Sie auch?«
So weit deinen neunmalklugen Arsch von hier bis auf die Straßen der Unterstadt zu kicken!, setzte Naomi im Stillen hinzu. Ihre Kiefermuskeln fühlten sich angespannt an, das Lächeln schmerzte.
»Viel Spaß«, wünschte ihnen Gemma mit der ihr eigenen Fröhlichkeit. »Richte Franco bitte Grüße aus, ja?«
»Sicher, Mutter.« Den Arm schon um Naomis Taille gelegt, beugte er sich zu Gemma hinunter und küsste sie zum Abschied auf die Wange. Seine andere Mutter, die Blonde, bekam dasselbe.
»Sei vorsichtig.« Lillian fasste ihn am Kinn, warf Naomi kurz ein dünnes Lächeln zu. »Ihr beide.«
Naomi ließ zu, dass Phin sie von der Rezeption in Richtung Eingangstür geleitete. Willig ließ sie sich von ihm dorthin dirigieren und hütete selbst dann noch entschlossen ihre lose Zunge, als er ihr die Tür öffnete und aufhielt.
Und das nicht nur aus Ärger.
Der Mann sah zum Anbeißen aus. Sein Anzug war eine elegante Mischung aus Lässigkeit und perfektem Sitz, von einem Designer entworfen, der sich auf klare Linien konzentrierte. Auf schlichteEleganz. Der Anzug war von einem dunklen, rauchigen Grau; das Schwarz des Button-down-Hemds unter dem Sakko passte wunderbar dazu. Auf eine Krawatte hatte Phin verzichtet. Stattdessen hatte er den Hemdkragen offen gelassen, der jetzt den perfekten Rahmen für seinen perfekt schönen Männerhals bildete. Mit einer ganz leisen Andeutung perfekt ausgeprägter Schulter- und Brustmuskulatur.
Das Haar trug Phin zurückgegelt. Naomi erwischte sich bei dem Gedanken, dass auch hier alles perfekt war: Die Frisur unterstrich die Männlichkeit seiner Gesichtszüge, vor allem der Wangenknochen. Der glatt rasierten Wangen.
Silberne Manschettenknöpfe, andere als die, die er am Nachmittag vor dem Massieren abgelegt hatte, blitzten auf, als er mit einer eleganten Handbewegung quer durch den Park auf eine unauffällige Tür deutete, um seiner Begleiterin den Weg zu weisen.
Naomi fletschte die Zähne. »Was zum Teufel war denn das?«
»Meine Eltern«, erwiderte er sanft. Die Hand in ihrem Rücken, warm auf ihrem Kreuz, ließ nicht zu, dass Naomi stehen blieb. Mit Hilfe dieser warmen Hand dirigierte Phin sie zu einem schmalen Flur.
Dieses Mal ließ sie ihn nicht gewähren. Mit einem schnellen Schritt zur Seite schüttelte sie die Hand ab. Phins hohes Schritttempo – langbeinig wie er war – konnte Naomi mühelos mithalten. »Speisen Sie mich ja nicht mit Bockmist ab. Das war eine Falle!«
Mit einem Mal hatte er dieses gewisse Funkeln in den Augen, als er sie ansah. Sein Blick huschte hinüber zu dem Knoten, zu dem sie ihr Haar hochgesteckt hatte. Wie Stachel waren einzelne Haarspitzen daraus herausgezupft. Eine Naomi-West-Frisur. Ganz langsam wurde sein unbeschwertes Lächeln breiter. Es ließ sie wünschen, sie könnte Phin Clarke so nahe sein, als säße sie ihm gleich unter der Haut. Könnte ihm die Haut blutig lecken. »Sie haben die Haare hochgesteckt.«
»Wechseln Sie nicht das Thema!«, gab sie zurück. Aber dass ihre Frisur offenkundig seinen Beifall fand, weckte etwas in ihr, etwas, das sich tief in ihr zu regen begann. Erwartungsvoll. »Sie haben mir vorher absichtlich nichts über Ihre Eltern erzählt.«
»Es ist nicht meine Schuld, wenn Sie nicht zuhören« Phin blieb vor einer schweren Holztür stehen, eine Hand schon am Türblatt. »Ich verstecke mein Privatleben nicht vor anderen.«
»Soso, es sind also immer die anderen schuld.« Naomi hob den Blick, musterte sein Gesicht, in dem Nachsicht mit ihr zu lesen stand. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie ihn vernaschen oder lieber verdreschen wollte.
Vielleicht könnte sie, wo er doch schon so eine dicke Lippe riskierte, ihm erst eins aufs Maul
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