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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gespannt, ein Haus aus
     Tüchern ohne Dach.
    Xiria ließ die Netzträger an sich vorbeiziehen und beobachtete, wie sie zu einem schnellen Sturzflug ansetzten. Endlich entdeckte
     sie auch die Bewegungen zwischen den Tuchbahnen. Tatsächlich schienen in diesem seltsamen Haus Menschen zu leben. Sie betrachtete
     eine der Frauen genauer, als diese aus dem Haus trat und zu ihr aufschaute. Ihre Blicke trafen sich kurz, und Xiria zuckte
     zurück, denn diese Frau sah nicht aus wie die Menschen, die sie kennengelernt hatte. Sie leuchtete und schimmerte und war
     durchscheinend wie Wasser. Xiria empfand ihren Anblick als interessant und verwirrend zugleich, und als sich die Augen jener
     Frau auf sie richteten, empfand sie fast so etwas wie Wärme in ihrem Herzen. Ein unsinniges Gefühl sagte ihr, dass sie ihrer
     Sippe Einhalt gebieten sollte; dann fiel das Silbernetz auf das Haus aus Tüchern und begrub es mit seinen Bewohnerinnen unter
     sich. Die Lalu-Frau, die Xiria mit ihrem Blick irritiert hatte, wurde mit dem Abwurf des Netzes ebenfalls gefangen gesetzt.
    Xiria erwachte wie aus einem Traum. Sie schüttelte das silberne Haar und setzte zur Landung an. Hinter ihr folgte ihre Sippe,
     die gleich einem Schwarm Raubvögel über ihre Beute herfiel.
     
    Degan betrachtete ratlos Dawon, nachdem er ihm geholfen hatte, sich auf den Rand der Lagerstatt zu setzen. Noch immer war
     er schwach, doch sein Überlebenswille war zu ihm zurückgekehrt, als er seinen Sohn erkannt hatte. Nun musste sich Degan immer
     wieder selbst in Erinnerung rufen, dass dieser Greif, der kaum älter aussah als er und mit seinem kindlichen Gemüt vor allem
     die beiden Waldfrauen verzückte, sein Vater war. Degan meinte, noch nie ein derart argloses und liebenswertes Wesen gesehen
     zu haben.
    |373| Dawon verspürte offensichtlich keinerlei Berührungsängste oder Hemmungen. Er legte den Kopf nach Greifenmanier schräg und
     betrachtete seinen Sohn eingehend. »Dawon hat Degan oft besucht, als er noch klein war, aber als er älter wurde, befand Nona,
     dass es Degan verwirren könnte, wenn Dawon sich ihm zeigt. Kann Degan sich an Dawon erinnern?«
    Degan nickte schwach. Je eingehender er seinen Vater betrachtete, desto mehr Erinnerungsfetzen kamen ihm ins Gedächtnis. Dawon
     hatte in der Fensteröffnung gesessen, aber er hatte nie zu ihm gesprochen.
    »Degan ist groß geworden«, stellte Dawon traurig fest. »Sehr viel Zeit ist vergangen seit jener Zeit, in der Dawon ihn zu
     Ilana und Tojar brachte.«
    Wie ein Stich trafen Degan die Worte seines Greifenvaters. »Wa rum habt ihr mich fortgebracht? Mein ganzes Leben habe ich gespürt, dass etwas mit mir nicht stimmt, und ich wusste nicht weshalb.
     Nun bin ich zerrissen. Halb Mensch, halb Greif – ich verliere den Boden unter meinen Füßen … Vater!« Die Worte kamen Degan
     nicht leicht von den Lippen, doch Dawon schien es kaum zu bemerken.
    »Degan sollte unter jenen aufwachsen, die ihm eine Heimat geben können. Dawon und Nona konnten dies nicht«, antwortete der
     Greif sanft.
    »Engil war niemals meine Heimat.« Degan setzte sich neben Dawon auf das Bett. Fast wehmütig berührte er die Schwingen seines
     Vaters.
    Dawon betrachtete ihn forschend. »Degan wird seinen Weg finden. Er ist stark wie Nona, seine Mutter.« Traurig betastete Dawon
     die Verbände auf seiner Brust. »Arme Xiria! Sie hat nur Schlechtes von den Menschen erfahren. Dawon wollte sie nicht verletzen,
     er hatte gehofft, ihr helfen zu können.«
    »Sie ist nicht böse«, erwiderte Degan leise. »Sie ist ebenso verloren, wie ich es bin.«
    |374| Dawon nickte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich jedoch bereits wieder auf die Waldfrau, die ihm eine Schüssel mit Beeren
     brachte. Langsam begann er zu essen. »Dawon muss zurück zu Nona, er muss gesund werden.«
    Ein erneuter Stich traf Degan tief in seinem Herzen. Sein Verstand sagte ihm, dass Dawon ihm nie ein Vater hätte sein können,
     Nona nie eine Mutter; und doch tat es ihm weh, dass es seinen Vater so schnell zu seiner Gefährtin zurückzog, anstatt sich
     darüber zu freuen, dass er seinen Sohn endlich kennenlernte. Degan spürte erneut, wie einsam er war, wie sehr er Xiria glich.
     Obwohl ein Teil von ihm darüber entsetzt war, dass sie versucht hatte, Dawon zu töten, konnte sich sein Herz nicht von ihr
     lossagen.
    Nach einer Weile erhob sich Degan mit der Entschuldigung, er brauche frische Luft, und verließ die Hütte der Waldfrauen. Niemand
     folgte ihm. Sein Herz

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