Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
sie hatte mir nie erzählt, was es war.
***
Drei Tage war ich nun schon auf dem einsamen Berg in Italien und langsam kam Julian wieder zu Kräften. Caroline hatte weiteres Blut besorgt, weil auch sie und ich dringend welches brauchten.
Am Morgen des vierten Tages wachte ich auf, als mich die Strahlen der aufgehenden Sonne im Gesicht kitzelten. Ich hatte seit langem mal wieder geschlafen, denn nach den Strapazen und der Aufregung der letzten Monate hielt ich das für nötig. Ich setzte mich auf und blickte auf die leere Bettseite neben mir. Julian ging es anscheinend wieder so gut, dass er aufgestanden war.
Ich sprang aus dem Bett und lief mit nackten Füßen den kühlen Steinboden entlang durch den Flur. Julian war nirgends zu sehen, also öffnete ich die Haustür und da sah ich ihn stehen. Er lehnte an der kleinen Steinmauer und blickte auf die Sonne, die langsam höher stieg und zwischen zwei Berggipfeln erschien.
Ich ging zu ihm, legte meine Hände um seine Taille und schmiegte meinen Kopf an seinen nackten Rücken. Er brummte wohlig und drehte sich zu mir um. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mir tief in die Augen.
"Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich vermisst habe! Du hast mich gerettet, in jeder Hinsicht und es ist das größte Geschenk, dass du hierher gekommen bist! Auch wenn ich es nicht verdient habe." flüsterte er.
Ich schüttelte langsam den Kopf. "Jeder verdient eine zweite Chance! Deshalb bin ich hier und ich bleibe bei dir - für immer!" erwiderte ich und strich über seine Wange.
Dieser Augeblick fühlte sich an, als wäre ich nach langer Zeit des Umherirrens endlich nach Hause gekommen. Ich versank in der Tiefe seiner funkelnden grünen Augen, die mich mit der gleichen Liebe betrachteten, die ich für ihn empfand.
Ich wurde plötzlich von einem sehr friedvollen Gefühl erfasst. Es breitete sich über meinen ganzen Körper aus und ließ mein Herz kurz aus dem Takt schlagen.
Julian legte mir einen Arm auf die Schulter und gemeinsam wandten wir uns wieder dem Sonnenaufgang zu.
Epilog Caroline
Die freundliche Stimme der Flugbegleiterin teilte uns mit, dass wir uns auf dem Landeanflug des Flughafens von New York befanden.
Ich stellte brav meine Rückenlehne senkrecht und klappte das Tischchen vor mir hoch.
Da war ich also wieder, in New York City. Nach ein paar Tagen des Bangens in Italien kehrte ich zurück - ohne Tamara.
Sie hatte beschlossen, bei Julian zu bleiben und mit ihm die Welt zu bereisen. Amerika ausgeschlossen. Doch sie hatte die Hoffnung, dass sie vielleicht eines Tages - wenn Benjamin und Andrew bemerkten, dass Julian tatsächlich keine Gefahr mehr darstellte - sie ihm erlauben würden, wieder in den Vereinigten Staaten zu leben.
Sie sei sich ganz sicher, dass es so das Beste wäre, hatte sie mir am Flughafen von Genua bestätigt als wir uns weinend in den Armen lagen. Dann gab sie mir den Auftrag, Max, Valentina und Dorian mitzuteilen, dass sie nicht zurückkehren würde. Auch unsere Mutter, Cordelia, würde ich besuchen müssen.
Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich in ein Taxi, dass vor dem Flughafengebäude wartete und wies den Fahrer an, mich nach Claymont zu fahren. Ich wollte den schlimmeren Teil so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Ich saß auf der Rückbank des Taxis und starrte aus dem Fenster.
"Warum so traurig, Miss?" Die Stimme des Fahrers riss mich aus den Gedanken.
Ich rang mir ein Lächeln ab. "Seien Sie mir nicht böse, aber ich möchte mich jetzt nicht unterhalten." erwiderte ich leise.
Er nickte wie in Trance und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Verkehr.
Nach knapp zweieinhalb Stunden bogen wir in die Straße, in der Cordelias kleines Haus stand. Ihr Auto parkte vor der Tür.
"Warten Sie bitte hier." sagte ich zu dem Taxifahrer und stieg aus dem Auto.
Ich drückte den Klingelknopf mit der Aufschrift
C. Goldman
und wartete. Als sich die Tür öffnete, blickte ich seit langem wieder in das Gesicht meiner leiblichen Mutter. Es tat mir mittlerweile sehr leid, dass ich sie damals im Streit verlassen hatte.
"Caroline? Was...?" Sie war sichtlich überrascht. Mit mir hatte sie nicht gerechnet.
"Hi, Cordelia...ähm...Mom. Kann ich...kann ich kurz rein kommen? Es geht um Tamara."
"Natürlich. Was ist denn mit ihr? Ihr ist doch nichts passiert?" Ihre Miene wurde ernst und sie blickte mich fragend an.
"Nein, nein. Ihr geht es gut." erwiderte ich schnell und trat über die Türschwelle.
Ich folgte ihr in die Küche und setzte mich
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