Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
Schwester, die durch das winzige Flugzeugfenster ins Nichts starrte.
"Caroline." Ich flüsterte zwar, doch eigentlich hätte sie es hören müssen. Sie reagierte allerdings nicht.
"Caroline!" zischte ich etwas lauter.
Plötzlich fuhr sie herum und sah mich verwirrt an.
"Hm?" fragte sie und versuchte gelangweilt zu klingen.
"Was ist los mit dir? Du verhältst dich wirklich merkwürdig!" fragend blickte ich sie an und zog eine Augenbraue hoch.
Angespannt faltete sie die Zeitschrift in ihrer Hand auf und zu. Ich sah sie flehend an und sie schien sich einen Ruck zu geben.
"Also...es, ist so...", begann sie zögernd, "Julian möchte ohne dich wirklich nicht mehr existieren...und...na ja, er hat schon sehr lange kein Blut getrunken."
Caroline holte tief Luft und sah mich lange an. "Sollte ich ihm eine schlechte Nachricht überbringen, will er sterben."
Ich war fassungslos! Ich hatte so etwas geahnt und nun bestätigten sich meine schlimmsten Befürchtungen.
"Wie viel Zeit bleibt uns denn noch?" bestürzt sah ich Caroline an und begann zu zittern.
"Nicht viel, eigentlich hatte er gestern auf eine Nachricht gewartet. Ich konnte Benjamin und Andrew aber nicht finden. Deshalb auch die Sache mit der Blutbank. Ich habe ihn zwar angerufen, aber nur, um ihn zu vertrösten. Er wird das durchziehen, das weiß ich. Die ganze Zeit habe ich gehofft die Entscheidung von Benjamin und Andrew würde anders ausfallen. Er...ist schon sehr schwach und ehrlich gesagt, ich bin mir nicht sicher ob er noch am Leben ist, wenn wir eintreffen." Caroline nahm meine Hand und drückte sie ganz leicht.
"Es tut mir leid.", flüsterte sie, "Ich konnte ihm das nicht ausreden. Er war so besessen davon..."
Ich nickte stumm und kämpfte mit den Tränen.
Die restliche Zeit des Fluges war ich damit beschäftigt, vor mich hin zu starren. Meine Gedanken überschlugen sich. Was wäre, wenn ich Julian tot auffinden würde?! Würde ich dann weiter existieren wollen? Machte es dann überhaupt noch einen Sinn?
Die Stunden schlichen dahin und endlich kam die erlösende Durchsage des Flugkapitäns. Wir näherten uns dem Flughafen in Genua.
Caroline hatte uns schon einen Mietwagen reserviert. Ich betete, dass sie denselben Hang zu schnellen Autos hatte wie alle unserer Art.
Als wir auf dem Boden aufsetzten, war ich wie elektrisiert. Caroline und ich waren die ersten, die das Flugzeug verließen. Wir liefen eilig durch das Gebäude zum Schalter der Autovermietung. Mein Körper fühlte sich an, als wäre er nur noch eine leere Hülle. Meine Gedanken waren weit weg. Caroline kümmerte sich um alles und ich war dankbar dafür. Ich verlor gerade komplett die Kontrolle über mich und war zu nichts zu gebrauchen. Mit dem Autoschlüssel in ihrer Hand zerrte sie mich zum Ausgang. Zum Glück stand unser Wagen schon da. Ein schwarzer Porsche Turbo. Hoffentlich war er schnell genug!
Wir sprangen hinein und Caroline drückte das Gaspedal durch. Mit qualmenden Reifen verließen wir das Flughafengelände. Meine Schwester raste in Rekordgeschwindigkeit die Autobahn Richtung Imperia entlang und verlangte dem Auto alles ab. Glücklicherweise schafften wir die Strecke so in einer halben Stunde. In Imperia verließ Caroline die Autobahn und fuhr auf dem schnellsten Weg durch die Ortschaft. Sie bog auf eine Nebenstraße, die immer höher in die hügelige Landschaft führte. Als die Fahrbahn schmaler wurde, sah ich meine Schwester fragend an.
"Wir leben sehr abgeschieden seit Julians Entzug. Es war für ihn anfangs kaum möglich, unter Menschen zu gehen. Und hier gibt es viele Schafe und einen Schlachter in der näheren Umgebung. So ist gewährleistet, dass wir immer genügend Tierblut haben." erklärte sie mir, auf meine unausgesprochene Frage.
Wir fuhren etwa zwanzig Minuten auf der engen Straße, die sich durch die Berglandschaft schlängelte. Hin und wieder tauchte ein kleines Dorf auf, das mitten auf einen Hang gebaut war. Manche Häuser waren komplett aus Stein errichtet. Ein krasser Gegensatz zu den immer belebten Straßen in New York. Doch die eindrucksvolle Landschaft zog einfach an mir vorbei. Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: Julian! Würden wir es rechtzeitig schaffen?
Meine Hände krampften sich zusammen und meine Brust fühlte sich an, als würde sie von einem eiskalten Schwert durchbohrt werden.
Caroline bog auf einen Feldweg, der links und rechts von Olivenbäumen gesäumt war. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier noch etwas anderes gab als
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