Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
verpflichtet fühlten, mich zu bemitleiden.
Außerdem tat es gut, den Kopf völlig auszuschalten und sich nur auf seine Instinkte zu verlassen.
Die Nacht war dunkel und still und doch war sie so voller Leben. Man musste nur genau hinhören. Aus jeder noch so dunklen Ecke kamen Geräusche, die ich mit meinem menschlichen Gehör nie wahrgenommen hatte.
Als ich auf dem Weg zu unserem Wald an einigen Häusern vorbeikam, hörte ich verschiedene Stimmen.
Laute und Leise, Streitgespräche und sogar ein paar Stimmen von Kindern, die ihre Eltern nicht schlafen lassen wollten.
Ich kicherte lautlos.
Arme Menschen! Zum Glück war ihnen nicht bewusst, dass uns so gut wie nichts von ihrem Leben verborgen blieb.
Nach ein paar Minuten erreichte ich den Waldrand. Das Laub unter meinen Füßen raschelte.
Ich atmete tief ein. Der Geruch von Harz, Moos und Erde strömte in meine Nase.
Auf meinen Geruchsinn war verlass, denn es dauerte nicht lange, bis ich zwei einzelne Rehe wahrnehmen konnte, die sich zu weit von ihrer Herde wegbewegt hatten.
Ich lief schnell und lautlos auf sie zu, duckte mich kurz und stieß mich mit den Füßen vom Boden ab.
Vampire sind schnell und tödlich. Im Bruchteil einer Sekunde brachte ich das Tier zur Strecke und stillte meinen Hunger mit seinem warmen Blut.
Mittlerweile hatte ich mich schon an den bitteren Geschmack gewöhnt. Ich wollte nie wieder einen Menschen töten, auch wenn das menschliche Blut so verführerisch war.
Allein wegen dieser Tatsache, gab es keine andere Option mehr für mich. Ich hatte mich mit dem Geschmack, den ich Anfangs so verabscheute anfreunden müssen.
Nur so wollte ich weiter existieren. Auch wenn ich das, was damals geschehen war nicht mehr rückgängig machen konnte.
Am nächsten Morgen fuhr ich mit Valentina zur Schule, als wäre nichts gewesen.
Doch dort holte mich zuerst einmal die Realität wieder ein. Überall hingen Plakate mit Carolines Gesicht darauf.
Es hatte sich also schnell herumgesprochen, dass sie verschwunden war.
Ihre Adoptivmutter hatte die Polizei verständigt, die dann erst mit Mom gesprochen und gestern Abend auch noch an unserer Tür geklingelt hatte.
Ich war im ersten Moment ziemlich erschrocken. Doch Dank meiner besonderen Fähigkeiten war es nicht schwer, die Beamten davon zu überzeugen, dass Caroline sich mit ihrer leiblichen Mutter erst gestritten hatte und dann mit ihrem neuen Freund durchgebrannt war.
Als ich das Schulgebäude betrat, traf es mich jedoch mit voller Wucht. Die Gefühle, die ich mühsam versuchte zu unterdrücken krochen sofort wieder an die Oberfläche.
Val drückte meinen Arm. "Sie werden bald alle anfangen zu vergessen, das ist bei Menschen so üblich."
Wahrscheinlich hatte Valentina recht, also atmete ich mehrmals tief durch und versuchte die Zettel zu ignorieren.
***
Die Wochen vergingen und Valentina sollte Recht behalten.
Es hingen nur noch wenige der Plakate an den Wänden. Die meisten waren bereits gegen andere wichtige Bekanntmachungen ausgetauscht worden.
Einerseits schlimm, wie schnell die Menschen wieder zur Tagesordnung übergingen, andererseits war ich froh, dass ich mit dem Thema nicht weiter konfrontiert wurde und so beherzigte ich Max´ Rat, mir Ablenkung zu suchen.
Ich beschloss einen Extrakurs in deutscher Sprache zu belegen.
Die Ewigkeit lag vor mir und vielleicht würde ich ja irgendwann, alle Sprachen der Welt zu sprechen.
Val war von meiner Idee begeistert. Sie schien erleichtert darüber zu sein, dass ich etwas gefunden hatte, mit dem ich mich Beschäftigen konnte.
Nach der letzten Stunde machte ich mich auf den Weg zum Verwaltungsbüro.
"Ich warte am Auto." rief Valentina mir beim Gehen zu.
Ich nickte. "Dauert bestimmt nicht lange."
Als ich in das Verwaltungsbüro eintrat, saß Mrs. Connor an ihrem Schreibtisch und bemerkte mich gar nicht, so vertieft schien sie in ihre Arbeit zu sein.
Oder es lag daran, dass ich mich fast lautlos bewegte?
Ich räusperte mich leise und sie blickte erschrocken auf.
"Oh, Miss Goldman! Ich habe Sie gar nicht reinkommen hören." Sie lächelte entschuldigend und schüttelte leicht den Kopf, "Was kann ich für Sie tun?"
"Ich wollte mich erkundigen, ob es noch einen freien Platz bei den Fremdsprachenkursen gibt." erwiderte ich.
"Hm, da muss ich nachsehen. An was für einer Fremdsprache haben Sie denn Interesse?"
"Deutsch." antwortete ich und lächelte sie freundlich an.
Sie murmelte etwas vor sich hin und ging zu ihrem Aktenschrank, aus dem sie einen dicken Ordner zog.
Er
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