Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
schien schwer zu sein, denn sie geriet ins Schwanken als sie zurück zu ihrem Schreibtisch ging.
Mit einem - für meine Ohren- lauten Knall ließ sie den Ordner auf den Tisch fallen und blätterte umständlich darin.
"Ah, da haben wir die Auflistung der Schüler. Das ist der Grundkurs, gut dass sie sich jetzt noch dazu entschieden haben. Der Kurs läuft ja erst seit ein paar Wochen. Mitten unter dem Jahr hätte ich Ihnen nicht empfohlen ohne Grundkenntnisse einzusteigen." Sie sah mich über den Rand ihrer Brille an.
Nicht für mich, dachte ich und verkniff mir ein Lächeln.
"Danke für den Hinweis. Aber wie Sie sagen, viel verpasst habe ich noch nicht und ich würde den Kurs gerne belegen." erwiderte ich höflich.
"Also gut, dann schreiben Sie sich bitte in ihren Stundenplan: Mittwoch und Freitagnachmittag die letzten beiden Stunden. Da haben Sie doch noch keinen Kurs oder?"
"Nein, an diesen beiden Tagen nicht."
"In Ordnung. Dann informiere ich Mr. Schmidt. Er kommt ursprünglich aus Deutschland und wird Sie in diesem Fach unterrichten." erklärte sie mir.
"Vielen Dank für Ihre Mühe, Mrs. Connor." bedankte ich mich und verabschiedete mich von ihr.
Als ich zum Parkplatz lief, freute ich mich darüber noch einen Kursplatz bekommen zu haben, ohne das ich die arme Mrs. Connor manipulieren musste. Wer hätte gedacht, dass mir die Schule wieder Spaß machen konnte.
Mittlerweile hatten sich unsere Mitschüler halbwegs an Val und mich gewöhnt. Wir wurden nicht mehr permanent angestarrt, aber um uns anzusprechen fehlte den meisten dann doch der Mut.
Auf dem Nachhauseweg besorgten Val und ich noch die Bücher, die ich für meinen Deutschkurs benötigte. Mrs. Connor hatte mir eine Liste mitgegeben.
Ich fühlte mich richtig aufgekratzt, als wir zu Hause ankamen und war die ganze Nacht beschäftigt, den Stoff der letzten acht Wochen zu lernen um am nächsten Tag für meine erste Deutschstunde gerüstet zu sein.
Auch Max schien sich für mich zu freuen, dass ich etwas gefunden hatte, dass mich ablenkte und auch noch positive Gefühle in mir zuließ. Zumindest konnte ich das spüren, auch wenn er es nicht aussprach.
Er war mit seinen Gefühlen immer sehr zurückhaltend.
Das erste Mal, das er sich mir ein wenig geöffnet hatte, war das Gespräch nach Carolines Verwandlung und dem letzten Zusammentreffen mit Julian.
Am nächsten Morgen war es neblig und kühl. Der Herbst hatte seine Spuren hinterlassen, die Bäume hatten die Blätter verloren und reckten ihre nackten Zweige in den stahlgrauen Himmel.
Es war Anfang November und ich war erstaunt, wie schnell die Zeit seit meiner Verwandlung vergangen war.
Max hatte Recht, mit der Aussicht auf ein ewiges Leben war ein Jahr eine sehr kurze Zeitspanne.
Ich klappte meine Bücher zusammen und steckte sie in die Tasche, dann holte ich einen Mantel aus dem Schrank. Schließlich wurde es nun Winter und die anderen Schüler kamen dick eingepackt zur Schule. Es wäre ziemlich auffällig gewesen, nur in Pulli und Hose zu gehen.
Doch man gewöhnte sich mit der Zeit daran, etwas vorzugeben, dass man gar nicht war und so schlüpfte ich in meinen schwarzen Wollmantel und hängte mir die Tasche über die Schulter.
Valentina stand schon komplett angezogen an der Haustüre und wartete auf mich.
Sie warf mir eine Flasche mit Tierblut zu und grinste.
"Frühstück! Du warst gestern so in deine Bücher vertieft, dass Max und ich ohne dich jagen waren."
Geschickt fing ich die Flasche auf und leerte sie in einem Zug.
Ich war Val sehr dankbar, denn erst jetzt bemerkte ich meine brennende Kehle.
"Hier ist noch eine, nur zur Sicherheit." Sie lächelte sanft und hielt eine weitere Flasche hoch. Ich nahm sie ihr ab und steckte sie in meine Tasche.
"Was würde ich nur ohne dich tun. Die ist für Unterwegs, wir wollen doch nicht zu spät kommen." lachte ich und schnappte mir den Autoschlüssel.
"Heute fahre ich." rief ich fröhlich und rannte zu unserem Wagen.
Mein Herz war noch nicht ganz geheilt seitdem Caroline fort war, doch ich spürte, dass es sich langsam wieder zusammenfügte.
Ich genoss unbeschwerte Momente wie diesen, in denen sich die Welt und mein Dasein sehr normal anfühlte - fast zu normal.
Der Vormittag verging wie im Flug und ich beeilte mich, um pünktlich zu meiner ersten Deutschstunde kommen. Gerade erreichte ich die Tür, als Valentina mir nachrief.
"Soll ich dich später abholen?" Sie hatte für heute schon Schluss.
"Nicht nötig, es wird ja jetzt früh dunkel - ich laufe." erwiderte ich
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