Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
interessante Schatten in sein Gesicht.
Ich unterdrückte alle vernünftigen Stimmen in meinem Kopf, die mich vor dem warnten, was ich vorhatte.
Langsam beugte ich mich in seine Richtung und auch er lehnte sich über seinen Sitz hinweg.
Unsere Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt und sein menschlicher Geruch strömte in meine Nase.
Wieder einmal war ich froh, dass er keine Hungergefühle in mir wach rief. Ich hatte mich zwar ganz gut unter Kontrolle aber ich achtete auch peinlich darauf, immer satt zu sein. So roch er für mich einfach nur unglaublich gut.
Ich sah, dass seine Unterlippe leicht zitterte. Sein warmer Atem strich an meiner Wange vorbei. Ich roch das Leder seiner Jacke und den Duft seiner Haut. Langsam schloss ich die Augen. Es dauerte eine weitere lange Sekunde ehe sich unsere Lippen berührten. Erst sanft und vorsichtig, dann immer fordernder.
Schließlich legte er eine Hand in meinen Nacken und zog mich noch näher an sich heran. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, das ich sonst nur kannte, wenn ich Blut trank.
Nach endlosen Minuten richteten wir uns auf und sahen uns an.
Keiner sagte ein Wort. Nur ein Lächeln breitete sich auf Dorians Gesicht aus.
Ich war die Erste, die diese Stille durchbrach.
"Ich muss jetzt los...es war wirklich schön heute."
"Für mich auch! Bis morgen - auf dem Parkplatz?" erwiderte er und ich nickte nur.
Dann öffnete ich die Tür und kalte Winterluft strömte ins Auto. Ich sah, dass Dorian kurz erschauderte. Also sprang ich schnell hinaus und schloss die Tür.
Als er davonfuhr, sah ich mich kurz um- niemand beobachtete mich - und rannte dann in meiner normalen Geschwindigkeit die Einfahrt entlang.
Ich schlüpfte durch die Haustüre und legte meine Sachen an der Garderobe ab.
"Tamara, kommst du bitte kurz zu uns?" rief Max von der Küche aus.
Ich schritt durch die Tür und war gespannt, was er von mir wollte.
"Und?" fragte er nur.
"Ich halte mich brav an deine Regeln. Wir haben einen netten Nachmittag verbracht und uns über belanglose Dinge unterhalten. Er wurde nur im Bücherladen kurz stutzig weil ich nicht bezahlt habe." antwortete ich und scharrte verlegen mit den Füßen.
Max zog eine Augenbraue nach oben und warf mir einen fragenden Blick zu.
"Ich hatte aber sofort eine passende Erklärung." beschwichtigte ich ihn.
"Und außerdem muss er es ja auch irgendwann erfahren." fügte ich noch leise hinzu.
"Schon klar, aber wenn er es erfährt sollte es nicht unbedingt in der Öffentlichkeit durch eine unüberlegte Tat geschehen." erklärte er und ich bemerkte, dass er der Sache immer noch mehr als kritisch gegenüber stand.
Für mich hingegen war seit dem Kuss klar, dass ich es wollte - das ich ihn wollte.
Ich hatte mich derart von dieser Tatsache mitreißen lassen, dass mir auffiel wie ich immer weniger an - ich schluckte bevor ich seinen Namen ganz bewusst in meinem Kopf hallen hörte - Julian dachte.
Am nächsten Morgen wartete Dorian tatsächlich schon an seinem Auto auf mich.
Kaum hatte Val den Wagen geparkt, sprang ich von meinem Sitz und schlug die Tür zu. Es kostete einiges an Beherrschung, mich langsam zu bewegen.
Mein Herz schlug in einem flatternden Rhythmus und schien total aus dem Takt zu sein.
Als ich auf ihn zulief, lächelte er mich freudig an. Was sollte ich tun? Einfach nur "Hi" sagen? Oder wartete er auf einen Kuss? Ich hatte keine Ahnung.
Bei den Menschen war das alles viel komplizierter als bei uns.
Doch Dorian nahm mir die Entscheidung ab, indem er sich lächelnd zu mir nach vorne beugte und mir einen Kuss auf die Lippen hauchte.
Dann machte er einen Schritt zurück und sah mich zögernd an. Es schien, als wäre es ihm jetzt doch ein wenig unangenehm zu sein und er wartete auf meine Reaktion.
Ich strahlte einfach nur zurück und flüsterte ein heiseres "Hi."
Valentina kam mit meiner Tasche auf uns zu und lachte.
"Tamara, du hast etwas vergessen."
"Oh...danke." murmelte ich.
So etwas war mir schon lange nicht mehr passiert, nicht seit ich keine Sterbliche mehr war.
Dorian begleitete uns über den Campus. Bevor sich unsere Wege trennten, strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr und sah mich nachdenklich an. Seine Augen verrieten mir, dass er gerne noch Zeit mit mir verbracht hätte.
"Treffen wir uns zum Mittagessen?" fragte er.
Ohne zu überlegen sagte ich zu.
Als ich mit Valentina zum Unterricht lief, sah sie mich prüfend an.
"Und was willst du ihm erzählen wenn er dich fragt, warum du nichts
Weitere Kostenlose Bücher