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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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hat er gesagt?«
    Lilly zögerte, weil die Veränderung in ihrer Mutter ihr Angst machte. »Du hast ihn nicht gehört? Er stand direkt vor mir.«
    Mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen schüttelte Emily den Kopf. »Penn ist der Hüter der Wälder, geboren aus dem ersten Schmerzensschrei nach dem Axtschlag eines Holzfällers. Er erscheint denen, die an ihn glauben – so real, wie man es eben zulässt, so schön, wie die Fantasie ihn heraufbeschwört, in der Form, die du ihm gibst. Er ist alles, er ist der Tod. Er kann in die Körper von Wölfen und Männern fahren, doch dafür braucht er genug Blut, um einen Mann zu töten. Er überlebt die Zeitalter, indem er in den Bäumen Schutz sucht, die er beschützt. Sie sind seine Rettung. Sie sind sein Untergang. Sein größtes Verlangen ist es, wieder eine Seele zu erlangen, und er lügt, um das zu erreichen. Ich war fähig, dich vor ihm zu beschützen, Lilly, aber er glaubt nicht länger an mich.« Sie biss die Zähne zusammen und hob stolz den Kopf. »Ich bin alt. Er liebt mich nicht länger.« Lillys Mutter zitterte, als die Angst zurückkehrte. »Wir müssen nach Hause.«
    Lillys Herz raste, als sie ihrer Mutter an den Rand des Dornengebüsches folgte. Jede Ranke und jeder Dorn, dem ihre Mutter auswich, traf stattdessen sie. Spinnweben berührten ihre Haut und schimmerten in der trägen, unbeweglichen Luft. Lilly schob sie im Gehen beiseite, aber ihre Mutter wich ihnen elegant aus und flüsterte dabei jedem einzelnen einen Dank zu wie einen Segen.
    Nach Hause zu gehen klang nach einer guten Idee.

3

    Die Hollywoodschaukel quietschte im Takt ihres improvisierten Fächers. Als es ihr auffiel, legte Lilly das Magazin für Herbstblumen beiseite. Die Abendluft war drückend, und selbst die leichte Bewegung des Schaukelstuhls erschien Lilly anstrengend. Ihre Mutter saß von der Hitze scheinbar unbeeindruckt auf der Schaukel, während Lilly sich mit ihrem Hemd etwas Luft zufächelte.
    Draußen auf dem Gras rannten Meg und Em herum, fingen Glühwürmchen und sperrten sie als Nachtlicht in ein Glas. Ihre Schreie hallten vom schwarzen Wald zurück. Lilly zitterte. Okay, dann hatte sie eben einen Jungen mit honigfarbenen Augen und braunen, erdverschmierten Füßen gese hen. Dafür gab es eine Erklärung. In den Hügeln lebten ganze Familien wie Einsiedler, ohne die Wildnis je zu verlassen. Vielleicht gehörte der Junge zu ihnen. Es machte sie wütend, dass er ihre Mutter geschlagen hatte, aber das tote Huhn hatte sie verängstigt – genug verängstigt, um sie zum Schweigen zu bringen.
    »Geht nicht in den Bach!«, schrie ihre Mutter. Lilly starrte sie wütend an, weil sie nicht sein konnte wie alle anderen Mütter auch. Warum musste für sie immer alles doppelt so schwer sein?
    »Es wird schwierig werden, ihn in einen Baum zu bannen«, sagte die alte Frau, während sie mit im Schoß verschränkten Händen weiterschaukelte. »Das letzte Mal habe ich ihn herausgefordert, mir zu zeigen, wie er es macht, um ihn dann zu bannen. Aber auf diesen Trick wird er nicht mehr hereinfallen. Er wird mir kein zweites Mal glauben. Er kann kein fließendes Wasser überqueren, und er kann Stein nicht durchdringen, aber ich bezweifle, dass ich ihn in einen offenen Sarkophag locken kann. Wenn mir nichts einfällt, müssen wir vielleicht den Wald abbrennen.«
    Lilly schwieg. Sie wurde immer wütender, während sie an das Handy in ihrer Tasche dachte. Morgen, sobald der Arzt aufmachte, würde sie einen Termin ausmachen. Sie wollte sich über ihre Möglichkeiten informieren. Glücklicherweise hatte ihre Mutter ihr das Haus bereits übertragen. Wenn es nur um sie ginge, hätte sich Lilly keine solchen Sorgen gemacht, aber Meg und Em sollten nicht mit so etwas belastet werden.
    »Ein Huhn hat genug Blut in sich, um ihn für eine gute Woche sichtbar zu machen«, sagte ihre Mutter. Lilly ignorierte sie und beobachtete stattdessen, wie die Mädchen hinter den Insekten hersprangen. »Zu dumm, dass der Wasserstand so niedrig ist. Ich wäre in Versuchung, David mit seinem Bagger anzufordern, einen Graben ums Haus zu ziehen und die Autobrücke abzubauen. Damit stünde unser Haus auf einer Insel, und er könnte die Mädchen nicht erreichen. Nicht ohne Baumwurzeln, die ihm eine Brücke bauen.«
    Lilly biss die Zähne zusammen, dann zwang sie sich, einen Schluck von ihrem Tee zu nehmen. Das Eis war schon lange geschmolzen, und kleine Tropfen fielen vom Glas. Ihre Mutter hatte Wahnvorstellungen. Und

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