Blutseele
was nur dafür sorgte, dass Grace sich noch müder fühlte.
»Zach hat dafür gesorgt, dass mein Partner ins Krankenhaus musste. Es geht ihm gut. Ich dachte, das wüssten Sie vielleicht gerne.« Sie zögerte, dann befahl sie Hoc mit einer Geste, an seinem Platz zu bleiben. Die Ohren des Hundes sanken nach unten. »Ich weiß, dass Zach ein guter Junge ist«, sagte sie, während sie inständig hoffte, dass das auch stimmte. »Er erinnert mich an mich, als die Agentur mich gefunden hat. Es war die Hölle.«
Unruhig zog sie ihre Uniform gerade und wandte sich zur Straße um. »Ich möchte Zach helfen«, sprach Grace weiter, während Zweifel und Schuldgefühle in ihr aufstiegen. »Es tut mir leid, Mrs. Thomson. Wenn ich ihn heute nicht in die Agentur bringe, wird es um einiges schwerer für ihn. Die nächsten Agenten werden nicht so … verständnisvoll sein.«
Deprimiert machte Grace den ersten Schritt Richtung Auto. Hoc fing an, mit dem Schwanz zu wedeln, dann öffnete sich hinter ihr die Tür. Grace lächelte nicht. Sie war in der Hoffnung hierhergekommen, dass Zach sich als moralisch einwandfrei herausstellen würde. Aber ein Teil von ihr wollte den Jungen in die Hölle schicken, weil er versucht hatte, ihren Hund umzubringen.
»Es war heute Morgen schon jemand hier«, sagte Mrs. Thomson mit zitternder Stimme. Grace drehte sich um.
»Hier? Heute?«, fragte sie. Die verängstigte Frau öffnete die Tür ein wenig weiter.
»Ein Mann mit sandbraunen Haaren. Ihr Alter, Ihre Größe. Dünn, wie mein Zach. Er war allein. Aber ich wusste sofort, dass er einer von Ihnen war. In seinen Anzug waren silberne Drähte eingewoben, und auf seinem Hut war ein Dreizack.«
»Jason?«
Hoc jaulte leise, als er den Namen des Mannes hörte, wäh rend die Frau vor Grace halb auf die schattige Veranda trat. »Er hat gesagt, sein Name wäre Stanton.«
Grace wandte sich Zachs Mutter ganz zu. Jason. Sie sah zu ihrem Auto, während ihr hundert Möglichkeiten durch den Kopf schossen. »Kann ich reinkommen?«, fragte sie. Sofort zog sich die Frau mit gesenktem Kopf zurück. »Mrs. Thomson, Sie möchten nicht, dass Jason derjenige ist, der Ihren Sohn findet. Er ist ein lügender Mistkerl.« Ganz abgesehen davon, dass er Zach für seine Beförderung an die Agentur übergeben würde.
»Mit meinem Sohn ist alles in Ordnung!«, sagte die Frau, nur um den Blick sofort wieder zu senken.
Grace nickte zustimmend, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Verandapfosten. »Meine Großmutter verstand, was mit mir los war, als ich ungefähr drei Jahre alt war«, erzählte sie leise, während sie in Erinnerungen versank. »Zehn Jahre nach dem Polsprung, mit dem alles begann. Meine Großmutter erklärte ebenfalls, dass mit mir alles in Ordnung wäre. In diesem Jahr hat sie mir zum Geburtstag eine Uhr geschenkt, wie die großen Mädchen sie trugen. Es war unser Geheimnis. Selbst meine Eltern wussten nichts davon. Ich hatte die Uhr keine Viertelstunde getragen, da ging sie kaputt. Großmutter schenkte mir die selbe Uhr noch mal, um zu verstecken, was ich getan hatte.«
Grace sah auf die kompliziertere Uhr herunter, die sie jetzt trug, und lächelte bei der Erinnerung. Ihre Großmutter war eine wirklich kluge Frau. »Die zweite Uhr hielt drei Tage, und dann schenkte sie mir noch eine. Am Ende des Monats machte ich die Uhren nicht mehr kaputt, sondern verlangsamte sie nur. Ein Geheimnis zu haben hat mir sehr dabei geholfen, Kontrolle zu finden. Ich habe meine Großmutter geliebt. Tue ich immer noch.«
Schuldgefühle sorgten dafür, dass Grace die Zähne zusammenbiss. Schnell verdrängte sie die Erinnerungen an wohlmeinende Nachbarn und vorbeigebrachtes Essen. »Im nächsten Jahr habe ich im Kindergarten drei Kinder dabei beobachtet, wie sie eine Glühbirne zum Leuchten brachten«, sprach sie weiter. »Die Lehrer haben ein Spiel daraus gemacht, sodass die Kinder, die es konnten, sich als etwas Besonderes fühlten. Als sie nach den Sommerferien wiederkamen, konnten sie keine Glühbirne mehr leuchten lassen.«
Grace wandte sich wieder dem Haus zu und sah, dass die Frau ihr zuhörte. Der Glühbirnentest wurde nicht mehr verwendet. Es hatte zu viele Kinder wie sie selbst gegeben, denen man beigebracht hatte, sich unfähig zu stellen. »Meine Mom hätte vielleicht etwas erraten. Mein Dad wahrscheinlich nicht. Ich weiß es nicht. Sie starben, als ich sechzehn war.« Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, und sie zwang sich, die Finger zu
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