Blutspur in East End
erzähle ich dir, wenn wir uns besser kennen.“
„Also willst du mich besser kennenlernen, Carol?“
„Das könnte passieren. Wir werden wohl nicht schweigend nebeneinandersitzen, bis Jeanie endlich aus dem Spizo’s kommt, oder?“
Brent lachte. „Nein, wahrscheinlich nicht. – Glaubst du an Zufälle, Carol?“
„Ich weiß nicht. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“
„Also ich denke nicht, dass es Zufälle gibt. Wenn ich nicht an dieser Jack-the-Ripper-Führung teilgenommen hätte, dann wären wir uns nie über den Weg gelaufen.“
„Das ist nicht gesagt. Wir hätten uns auch auf der Straße begegnen können. Du glaubst doch angeblich an die Liebe auf den ersten Blick. Dann hättest du dich auch in mich verknallen können, wenn ich einfach nur neben dir an einer roten Ampel gestanden hätte.“
„Von der Seite habe ich das noch gar nicht gesehen.“
„Liegt das vielleicht daran, dass die Liebe auf den ersten Blick bei dir nur eine Masche ist?“
„Nein, das stimmt nicht. Du hast mir auf Anhieb gefallen. Selbst nachdem du mir den Kerzenhalter über den Schädel gezogen hattest.“
Als sich Carol an die Szene erinnerte, wurde sie rot, während sie gleichzeitig schmunzeln musste. Zum Glück hatte sie Brent nicht ernsthaft verletzt. Sie spürte, dass er ihr deswegen nicht böse war. Sie war ihm bei ihrer spontanen Attacke ziemlich nahe gekommen. Aber auch jetzt, in dem japanischen Kleinwagen, befand sich Brent unmittelbar neben ihr. Sie war von ihm nur durch die schmale Mittelkonsole getrennt. Carol fand es aufregend, Brents Körper so dicht neben sich zu spüren. Und sie musste sich eingestehen, dass sie allmählich mehr als nur Sympathie für ihn zu empfinden begann.
Brent saß scheinbar entspannt da. Seine Hände ruhten locker auf dem Lenkrad, der Motor des Wagens war ausgestellt. Doch Carol entgingen nicht die häufigen Seitenblicke, die er ihr immer wieder zuwarf. Er konnte seine Augen nicht von ihr lassen, was sie sehr schmeichelhaft fand.
„Gefällt dir, was du siehst, Brent?“, fragte sie.
„Oh! Starre ich dich wirklich so auffällig an?“
„Jedenfalls habe ich es bemerkt. Aber wieso auch nicht? Schließlich behauptest du, in mich verliebt zu sein.“
„Und was ist mit dir? Wovon handelte denn der Traum, in dem wir beide vorkommen?“
Carol lächelte. „Das möchtest du wohl wissen, wie?“
„Ja, das möchte ich.“
„Meine Mom sagt immer, dass kleine Geheimnisse einen Menschen erst interessant machen.“
Carol genoss die unverkrampfte Leichtigkeit, die zwischen ihr und Brent herrschte. In den vergangenen Tagen hatte sie genug Tränen vergossen und über düsteren Gedanken gebrütet. An Brents Seite konnte sie wieder locker sein. Ihr wurde plötzlich klar, wie oft sie lächelte oder lachte. Normalerweise wäre es öde und trist gewesen, im Auto zu sitzen und stundenlang zu warten. Doch mit Brent verging die Zeit wie im Flug.
Die Dämmerung senkte sich über London, die Straßenlaternen wurden eingeschaltet. Noch war es abends relativ lange hell. Aber man konnte schon den herannahenden Herbst spüren.
Die ersten Verkäuferinnen verließen das Spizo’s durch den Personaleingang. Unwillkürlich spannte Carol ihre Muskeln an. Sie spürte, dass die Verfolgung gleich beginnen würde. Und dann tauchte wirklich die hochgewachsene Gestalt von Jeanie Wilde auf. Die Dunkelhaarige trug einen topmodischen knielangen Mantel in Glockenform. Sie schritt auf den Porsche zu, als ob sie sich auf dem Laufsteg befände.
„Ich schätze, es geht los. Was meinst du?“, fragte Brent.
„Ja. Jetzt geht es los.“
8. KAPITEL
Brent nahm die Verfolgung des Porsches so selbstsicher und unauffällig auf, als ob er seit Jahren bei der Polizei arbeiten würde. Carols Befürchtungen waren also unbegründet gewesen. Unwillkürlich erinnerte sie sich daran, dass sie ihn in ihrem Traum als Inspektor von Scotland Yard gesehen hatte. Aber jetzt zählten nicht irgendwelche nächtlichen Trugbilder, sondern die Wirklichkeit. Und die war aufregend genug.
Brent hatte die Londoner Verkehrslage richtig eingeschätzt. In der dicksten Rushhour konnte sich der Porsche auch nicht schneller durch den Stau drängen als der PS-schwache Kleinwagen aus Fernost. Brent steuerte sein Auto so, dass stets zwei oder drei andere Fahrzeuge zwischen ihnen und Jeanie Wildes Sportflitzer waren. Sie wollten nicht die Aufmerksamkeit der Verkäuferin auf sich lenken.
Jeanie Wilde fuhr auf der East India Dock Road Richtung
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