Blutspur in East End
sich plötzlich einsam und verlassen, weil er sie mit der Mörderin allein ließ. Doch im nächsten Moment wurde ihr klar, dass diese Empfindung Unsinn war. Brent liebte sie, daran gab es keinen Zweifel. Aber allein konnte er gegen Eve nichts ausrichten, und er wollte gewiss auch Carols Leben nicht gefährden. Also tat er das einzig Sinnvolle in dieser Situation und holte Hilfe.
Eve schien die Lage anders einzuschätzen, denn sie grinste siegessicher.
„Du hast mich glatt auf eine Idee gebracht, Carol. Kens Frau klammert sich an ihren Mann. Sie will ihn einfach nicht gehen lassen. Dabei gibt es doch viel einfachere Methoden als eine Scheidung, findest du nicht auch?“
Das klang für Carol ganz danach, als ob Eve jetzt völlig den Verstand verloren hatte. Wollte sie wirklich auch die Ehefrau ihres verheirateten Ex-Geliebten beseitigen? Sie musste sich doch sagen, dass sie damit auffliegen würde. Aber das war Carol egal. Ihr kam es nur darauf an, Zeit zu schinden. Mit jeder Minute, die verging, kam die Rettung näher. Daran zweifelte sie nicht. Sie musste Eve einfach nur hinhalten.
„Ich kann dir helfen, Eve. Vielleicht können wir Kens Frau ja gemeinsam aus dem Weg schaffen.“
Eve hob eine Augenbraue. „Das willst du tun? Wieso hast du denn so plötzlich deine Meinung geändert?“
„Weil, äh, weil Ken tatsächlich zu dir gehört. Das glaube ich jedenfalls. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er dich immer noch liebt. Er kann sich nur nicht gegen seine Frau durchsetzen.“
Bei Carols Worten nahm Eves Gesicht einen verträumten Ausdruck an. Einen Moment lang tat sie Carol sogar beinahe leid. Sie war vielleicht wirklich nicht ganz richtig im Kopf und konnte für ihre Bluttat nicht verantwortlich gemacht werden. Aber auf jeden Fall war sie gefährlich. Das bemerkte Carol im nächsten Moment.
Eve, die sie immer noch festgehalten hatte, stieß sie abrupt zurück. Dabei wurde Carol so heftig gegen den Drehstuhl geschleudert, dass sie über ihn stolperte und zu Boden ging. Sie stieß sich den Kopf an der Schreibtischecke.
„Au!“
„Das geschieht dir recht, du falsche Schlange! Du hast wohl geglaubt, du könntest mich einwickeln? Du bist im Grunde nicht besser als deine Tricia. – Verflixt, was ist das?“
Eve stellte die Frage sich selbst, während sie einen Blick aus dem Fenster warf. Carol konnte vom Boden aus nicht ganz so gut sehen. Aber sie reckte sich hoch und bemerkte nun ebenfalls das, was Eve entdeckt hatte.
Auf dem gegenüberliegenden Hausdach hatte ein vermummter Mann mit Gewehr und Zielfernrohr Position bezogen. Er legte seine Waffe auf das Haus an, in dem sich Carol und Eve befanden.
Carols Herz hüpfte vor Freude. Der Maskierte war ein Polizist einer Spezialeinheit. Das war die einzig mögliche Erklärung. Brent hatte also wirklich Hilfe geholt!
Eve ging vom Fenster weg und wollte die Jalousie herunterlassen. Plötzlich ertönte eine wohlbekannte Frauenstimme, die durch ein Megaphon verstärkt wurde.
„Eve Sutton? Hier spricht Inspektorin Victoria Shepley von der Metropolitan Police. Ich möchte, dass Sie sich beruhigen. Lassen Sie uns diese Situation beenden, bevor noch weitere Menschen zu Schaden kommen. Wie wäre es, wenn Sie Carol Garner gehen ließen? Sie könnten stattdessen mich als Geisel nehmen.“
Eve ging neben dem Fenster in Deckung und öffnete es, ohne dabei in das Schussfeld des Scharfschützen zu geraten.
„Hauen Sie ab, Sie alle!“, schrie sie gellend. „Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“
„Das geht nicht, Eve, und das wissen Sie. Ein unschuldiger Mann sitzt im Gefängnis, der dringend freigelassen werden muss. Wir alle müssen mit den Folgen dessen leben, was wir tun. Auch Sie.“
Da Carol immer noch auf dem Boden hockte, konnte sie nicht auf die Straße hinuntersehen. Doch sie hörte die Geräusche von rangierenden Autos, die Stiefeltritte und das Waffenklirren von Polizisten. Es war ein gutes Gefühl, dass Hilfe im Anmarsch war.
Doch wie lange würde es noch dauern, bis Eve vollkommen durchdrehte? Carols Mitbewohnerin stand unter einer riesigen Anspannung. So hatte Carol sie noch nie gesehen. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht, der Blick war unstet und irrlichterte durch den Raum, die Unterlippe zitterte unaufhörlich.
„Ich werfe gleich einen von Carols Fingern aus dem Fenster!“, drohte Eve. „Vielleicht zieht ihr dann endlich ab!“
Als Eve sich zu ihr umdrehte, wusste Carol, dass das keine leere Drohung war. Eve hatte
Weitere Kostenlose Bücher