Blutspur in East End
lesen. Die ersten Seiten blätterte Carol schnell durch. Schon glaubte sie, einen Fehler begangen zu haben. Aber dann wurde es richtig spannend.
Sie setzte sich auf Eves Schreibtischstuhl und las weiter. Ihre Mitbewohnerin schilderte, wie sie Ken Marsh kennengelernt hatte. Für Carol war der Anwalt nur ein schwacher Mann, der sich nicht entscheiden konnte und nicht zu seinen Gefühlen stand. Doch Eve hatte ihn ganz anders betrachtet. In ihrem Tagebuch vergötterte sie ihn beinahe. War Marsh ihre erste große Liebe gewesen?
Das ging aus den eng beschriebenen Seiten nicht hervor. Doch Eve schrieb so voller Leidenschaft über Marsh, wie Carol es ihr niemals zugetraut hätte. Plötzlich musste sie an die Redensart denken: Stille Wasser sind tief.
Der Spruch passte haargenau auf Eve. Carol vergaß die Zeit und den Ort. Sie dachte sogar momentan nicht an Brent, der in der Küche Tee trank und auf sie wartete. Carol vertiefte sich immer weiter in die Aufzeichnungen.
Nachdem Tricia und Marsh sich kennengelernt hatten, wurde Eves Stil aggressiv. Aus den Sätzen war der Hass zu spüren, den sie gegen Tricia empfunden haben musste. Wenn man ihrem Tagebuch glauben konnte, dann hatte sie Tricia gegenüber weiterhin Verständnis und Freundlichkeit geheuchelt. Doch für Eve stand schon länger fest, dass sie ihre Mitbewohnerin ins Jenseits befördern wollte.
Da stand es schwarz auf weiß.
Diese Schlange Tricia muss sterben.
Die Worte brannten sich in Carols Seele. Offenbar hatte sich Eve längere Zeit den Kopf über die passende Mordmethode zerbrochen. Sie ließ sich in ihrem Tagebuch darüber aus, ob sie Tricia Gift verabreichen wollte. Eine Zeitlang überlegte sie anscheinend auch, einen elektrischen Fön in die Wanne zu werfen, wenn Tricia gerade ein Bad nahm. Aber schließlich entschied sie sich doch für ein Messer.
Es soll wie ein normaler Raubüberfall aussehen. Niemand wird mich verdächtigen.
Fassungslos las Carol diese Sätze, wieder und wieder. Es stimmte, beinahe wäre Eve wirklich mit dem Mord durchgekommen. Aber warum hatte sie die Taschen ihres Opfers nicht ausgeplündert, um den perfekten Raubmord vorzutäuschen?
Plötzlich hörte Carol ein Geräusch an der Tür. Sie glaubte, Brent wäre hochgekommen, um nach ihr zu sehen. Aber es war Eve, die in der Tür stand. Und sie hielt ein Messer in der Hand, während ein kleines böses Lächeln ihre Lippen umspielte.
„Hallo, Carol. Interessante Lektüre, nicht wahr?“
Einen Moment lang starrte Carol die Mörderin nur an, bevor sie aufsprang und das Tagebuch auf den Tisch warf.
„Du hast meine beste Freundin auf dem Gewissen!“, schrie sie empört.
„Freundin?“, höhnte Eve. „Du solltest besser auf deinen Umgang achten, Carol. Du bist doch selbst eigentlich ganz okay. Wie konntest du dich mit einer widerwärtigen Hexe wie Tricia abgeben?“
„Tricia war keine Hexe! Sie war nur … nur …“
„Dir fehlen selbst die Worte, nicht wahr? Wie würdest du es denn nennen, wenn dir jemand den einzigen Menschen wegnimmt, den du liebst? Wie würde es dir gefallen, wenn ich mir deinen Brent schnappe? Ich nehme an, das ist der Typ, der in der Küche gesessen hat.“
Carol erschrak beinahe zu Tode. Unwillkürlich starrte sie die Messerklinge an, aber sie konnte darauf kein frisches Blut entdecken. Trotzdem sorgte sie sich natürlich um Brent. Eve musste an der Küche vorbeigekommen sein, um ins erste Stockwerk zu gelangen.
„Was hast du mit Brent gemacht?“
„Nichts Schlimmes. Ich kam leise herein. Er hat mich gar nicht bemerkt, da er mit dem Rücken zu mir stand. Im ersten Moment dachte ich, er wäre ein Einbrecher. Da habe ich ihm mit der Bratpfanne eins über den Schädel gehauen. Aber dann schaute ich in sein Handy und sah deine Nummer im Speicher. Da wusste ich, dass er zu dir gehört. Und dann habe ich eins und eins zusammengezählt.“
Mit einer Bratpfanne? Carol erinnerte sich daran, dass sie selbst noch vor kurzer Zeit Brent ebenfalls auf diese Art außer Gefecht gesetzt hatte. Aber momentan konnte sie diese Übereinstimmung nicht komisch finden. Carol begann zu zittern. Sie fürchtete um Brents Leben. Tricias Tod begann sie allmählich zu verarbeiten. Das war schmerzhaft, aber nicht mehr zu ändern. Doch die Vorstellung, dass Brent womöglich in diesem Moment in der Küche verblutete, brachte sie beinahe um den Verstand. Sie ging einen Schritt auf die Tür zu.
Eve Stimme war plötzlich so laut und scharf wie ein Peitschenknall.
„Bleib
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