Blutspur in East End
Seine Stimme klang brüchig. „Ich verstehe, dass Sie böse auf mich sind, Carol. Aber ich habe Tricia nicht getötet, und ich bin nicht scheinheilig. Ich habe es nicht geschafft, mich von meiner Frau scheiden zu lassen. Ich fürchte, ich bin einfach ein Schwächling.“
„Das kann schon sein, Mr. Marsh.“
„Aber ich habe Tricia geliebt! Wegen ihr habe ich sogar meine frühere Geliebte verlassen. Aber Janet – meine Frau – ist da anders. Sie kämpft um unsere Ehe.“
„Sie hatten also vor Tricia schon eine andere Freundin? Und wer soll das sein?“, fragte Carol fassungslos.
„Eve Sutton, Tricias Mitbewohnerin.“
11. KAPITEL
Als Kenneth Marsh diese Worte ausgesprochen hatte, herrschte für einige Minuten Totenstille in seinem Büro. Carol musste an ihr letztes Gespräch mit Eve denken. Was hatte ihre Mitbewohnerin noch gesagt?
Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wozu die Liebe mich bringen kann.
Momentan konnte Carol sich die sanfte und verständnisvolle Eve nicht als Mörderin vorstellen. Aber Ken Marsh hatte offenbar für die Tatzeit ein Alibi – und Eve? Nun war auch klar, warum der Anwalt zu feige gewesen war, Tricia zu Hause zu besuchen. Schließlich wohnten dort seine Freundin und seine Ex-Freundin unter einem Dach. Man hätte darüber lachen können, wenn es nicht so traurig gewesen wäre.
Carol erinnerte sich an den Moment, als Eve ihr von dem Anruf der Inspektorin erzählt hatte. Kein Wunder, dass sie so verblüfft gewesen war, weil die Polizei einen geständigen Täter verhaftet hatte. Zumindest dann nicht, wenn Eve selbst Tricia auf dem Gewissen hatte.
Marsh fand als Erster die Sprache wieder.
„Um Gottes willen – glauben Sie, dass Eve etwas mit Tricias Tod zu tun hat?“
„Das wird sich zeigen“, murmelte Carol. Ihre Stimme war belegt. „Warum mussten Sie auch unbedingt mit zwei Frauen liiert sein, die unter einem Dach wohnen?“
„Das wollte ich doch gar nicht! Ich war schon ein halbes Jahr mit Eve zusammen, als ich plötzlich durch sie ihre Mitbewohnerin kennenlernte. Und Tricia war es, die mir schöne Augen gemacht hat. Sie zeigte deutliches Interesse an mir. Nun ja, da konnte ich einfach nicht widerstehen.“
Carol nickte düster. Marsh war wirklich ein schwacher Mann, der unfähig war, sich zu entscheiden. Aber dieser Typ interessierte sie nicht. Für Carol stellte sich nur noch die Frage, ob Eve Tricia ermordet hatte. Immerhin war es ja möglich, dass Eve ein wasserdichtes Alibi hatte. Dann musste man wohl wirklich Phil Gordon als Tricias Mörder ansehen.
„Und das Wilfox – das war Tricias Stammdisco?“
„Ja, richtig. Sie ist öfter mit mir dort gewesen. Ich hatte den Verdacht, dass sie sich schon früher mit anderen Männern dort getroffen hat. Aber es war mir egal. Als ich mit ihr im Wilfox war, gab es nur uns beide.“
Carol hatte sich nun endgültig damit abgefunden, dass ihre beste Freundin Geheimnisse vor ihr gehabt hatte. Und – Tricia war überhaupt nicht so toll, wie Carol sie immer angesehen hatte. Gewiss, ihre Blutsschwester war sehr selbstbewusst. Aber gleichzeitig hatte sie eine Rücksichtslosigkeit besessen, die Carol an ihr nicht gekannt hatte. Ihrer Mitbewohnerin eiskalt den Freund auszuspannen – das ging ja gar nicht!
„Mit mir wollte Tricia auch ins Wilfox gehen“, warf Brent ein. „Ich schätze, sie hat sich auch nach anderen Männern umgesehen, Mr. Marsh.“
„Ja, das habe ich mir wohl selbst zuzuschreiben“, jammerte der Anwalt. „Als es mit meiner Scheidung überhaupt nicht voranging, hat Tricia mir gedroht. Sie wollte sich einen anderen Freund suchen, falls ich nicht Nägel mit Köpfen mache. Aber so einfach ist das alles nicht.“
„Ja, ich weiß, Sie sind ein Unschuldslamm und armes Opfer“, entgegnete Carol wütend. „Also nahmen Sie an, dass Tricia sich einen anderen Kerl gesucht hat?“
„Das stimmt. Ich ging immer wieder ins Wilfox , um dort nach ihr Ausschau zu halten.“
„Ich weiß, dort haben wir Sie nämlich gestern Abend gesehen. Sie nahmen also an, Tricia wollte einfach nichts mehr mit Ihnen zu tun haben?“
„Ja, genau.“
Carol stand auf. Marshs Geschichte war schlüssig. Der Typ war ihr unsympathisch, aber das machte ihn nicht zum Mörder. Sein Alibi ließ sich leicht nachprüfen, aber das konnte die Polizei erledigen.
„Was haben Sie jetzt vor?“, fragte der Anwalt ängstlich.
„Keine Sorge, Mr. Marsh – ich rede nicht mit Ihrer Frau. Stattdessen will ich hören, was Eve zu sagen hat. Und
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