Blutspur in East End
lassen Sie es sich nicht einfallen, sie vorzuwarnen!“
„Nein, das werde ich gewiss nicht tun. Ich empfinde nichts mehr für Eve. Ich habe nur Tricia geliebt.“
Wortlos verließen Carol und Brent die Anwaltskanzlei. Erst auf der Straße sagte Brent: „So, Marsh hat also nur Tricia geliebt. Und trotzdem hatte er nicht den Mut, sich zu deiner Freundin zu bekennen und scheiden zu lassen.“
„Ja, Marsh ist ein Jammerlappen. Ich verstehe nicht, was Tricia an dem gefunden hat. Aber meine Freundin wird mir sowieso immer mehr zum Rätsel.“
Carol versuchte, Eve auf dem Handy zu erreichen. Aber das Gerät ihrer Mitbewohnerin war ausgeschaltet. Nach zwei vergeblichen Versuchen steckte sie ihr Mobiltelefon wieder ein.
„Was tun wir jetzt, Carol? Gehen wir zur Polizei?“, fragte Brent.
„Nein, noch nicht. Die Inspektorin ist sowieso schon sauer auf uns wegen der Geschichte mit Jeanie Wilde und Eric Ulmer. Bei der Polizei können wir uns erst sehen lassen, wenn es an Eves Schuld keinen Zweifel mehr gibt. – Ich fahre nach Hause. Kommst du mit?“
„Auf jeden Fall.“
In der U-Bahn war Carol sehr schweigsam. Wie hatte sie sich nur so in Eve täuschen können. Obwohl – noch stand überhaupt nichts fest. Vielleicht hatte Eve Tricia ja wirklich noch nicht mal ein Haar gekrümmt? Saß der wahre Täter schon längst im Gefängnis? Diese Fragen wollte sie nun endlich beantwortet haben.
Carols Handflächen waren feucht vor Nervosität, als sie ihre Haustür aufschloss.
„Eve? – Eve, bist du da?“, rief sie.
Carol blieb mit Brent im schmalen Hausflur stehen. Bis auf das Geräusch ihrer eigenen Atemzüge war es totenstill.
„Es scheint niemand da zu sein“, raunte Brent.
„Ich gehe nach oben“, meinte Carol.
Er wollte mitkommen, doch sie hielt ihn zurück. „Bleib bitte in der Küche, Brent. Ich werde in Eves Zimmer nachschauen. Das ist sowieso schon ein Vertrauensbruch, dann will ich nicht auch noch einen fremden Mann dorthin mitnehmen. Vielleicht täusche ich mich ja, und sie ist unschuldig. Dann wäre mir das schrecklich peinlich.“
„Klar, das würde ich an deiner Stelle genauso machen. Ich könnte ja einen Tee kochen.“
„Super, Tee ist immer gut.“
Langsam stieg Carol die Stufen hinauf. Sie hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, obwohl Eve nicht wissen konnte, dass Carol sie verdächtigte. Sie hatte der Mitbewohnerin nicht gesagt, dass sie ins Wilfox gehen wollte. Also konnte Eve auch nicht wissen, dass Carol von ihrer ehemaligen Beziehung zu Ken Marsh wusste. Doch trotzdem fürchtete sie sich vor der Begegnung. Wenn ihre Annahmen stimmten, dann hatte sie tagelang mit einer Mörderin unter einem Dach gelebt.
„Eve?“
Immer war noch kein Laut zu hören. Eve war keine Langschläferin. Inzwischen war es schon später Vormittag. Vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter, öffnete sie die Zimmertür. Eves Zimmer ließ sich ebenso wenig abschließen wie ihr eigenes. Aber bisher hatte Carol auch noch nicht das Bedürfnis gehabt, sich in ihren vier Wänden zu verbarrikadieren.
Eves Zimmer war verwaist. Das Bett war ordentlich gemacht, nichts deutete auf eine Flucht hin. Doch Carol musste sich vergewissern. Sie öffnete den Kleiderschrank. Er war genauso voll wie ihr eigener. Sie begann dann, die Schubladen und Stauräume des kleinen Zimmers zu durchsuchen. Vielleicht stieß sie auf Spuren, die auf den Mord hindeuteten.
Carol fand überhaupt nichts Verdächtiges. Das Zimmer wirkte aufgeräumt, zweckmäßig und ein wenig langweilig – so wie seine Bewohnerin. Carol fand Eve nett, jedenfalls, bevor sie den Mordverdacht gegen sie hegte. Aber sie war ihr auch immer wie eine Streberin vorgekommen, die nur ihr Studium im Kopf hat. Tricia war da ganz anders gewesen. Carols Freundin ging gerne feiern und ließ bei Typen nichts anbrennen.
Während ihr diese Überlegungen durch den Kopf gingen, entdeckte Carol plötzlich Eves Tagebuch. Unschlüssig hielt sie es in ihren Händen. Es war eigentlich schon nicht in Ordnung von ihr, einfach in das fremde Zimmer einzudringen und in Eves Sachen zu schnüffeln, aber ihr Tagebuch zu lesen führte entschieden zu weit.
Und was, wenn in den Aufzeichnungen nun etwas über den Mord stand? Schließlich diente ein Tagebuch doch dazu, dass man ihm die geheimsten Gedanken und Wünsche anvertraute, oder?
Carol presste die Lippen aufeinander. Sie würde es vielleicht bereuen. Aber sie öffnete nun das Tagebuch. Eves ordentliche Mädchenhandschrift ließ sich gut
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