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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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gelbe Tupfer
von Löwenzahnblüten. Wunderschön.
    Aber die Stille in dieser grünen Oase hatte auch etwas Unheilverkündendes.
Als Vendela stehen blieb, um zu verschnaufen und den Duft der Blumen zu
genießen, da schloss sie die Augen und wünschte allen einen glücklichen und
friedvollen Sankt-Markus-Abend. Aber sie spürte keine Wärme und Freundlichkeit
ihr als Antwort entgegenströmen. Sie sah auch keine Bilder, alles blieb dunkel.
    Den Elfen ging es nicht gut.
    49
    G erlof
saß wie immer in der Sonne im Garten, als Carina Wahlberg zu Besuch kam. John
war am Morgen vorbeigekommen und hatte ihm einen ordentlichen Stapel
Zeitschriften dagelassen – alte Ausgaben von Babylon und Gomorra voller Flecke und Risse –, und
    Gerlof war gerade damit beschäftigt, sie systematisch durchzublättern.
    Er berührte die Seiten nur mit den Fingerspitzen, denn die Hefte
rochen nicht besonders gut.
    Seine Hausärztin grüßte von Weitem und winkte, als sie durchs
Gartentor kam.
    »Guten Tag, liebe Frau Doktor«, rief er zurück.
    Sie lächelte und kam auf ihn zu – blieb aber abrupt stehen, als ihr
Blick auf den Stapel mit den Zeitschriften fiel.
    »Ich bin vorbeigekommen, um Ihr Hörvermögen zu testen«, sagte Frau
Wahlberg und starrte auf den Stapel. »Mit Ihrem Sehvermögen ist ja
offensichtlich alles in Ordnung. Soll ich später wiederkommen?«
    Gerlof schüttelte den Kopf.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich.«
    »Meinen Sie wirklich? Sie sind doch beschäftigt!«
    Er sah von der Ausgabe auf seinen Knien auf, ohne zu lächeln.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken«, sagte er.
    »Ich denke gar nichts.«
    »Es ist nicht so !
Ich bin vierundachtzig, und meine letzte Freundin Maja aus dem Altersheim war
ungefähr gleich alt, bevor sie zu krank wurde, um mit mir zusammen zu sein. Ich
habe in den letzten fünfundzwanzig Jahren keiner einzigen jungen Frau mehr
hinterhergesehen.« Gerlof dachte kurz nach und korrigierte dann: »Na gut, aber
zwanzig Jahre sind es auf jeden Fall.«
    »Warum sehen Sie sich dann so etwas an?«, fragte Carina Wahlberg.
    »Weil ich muss.«
    »Ach ja?«
    »Ich recherchiere!«
    »Klar!«
    Doktor Wahlberg setzte sich zu ihm. Gerlof blätterte weiter:
    »Ich versuche, einen Hinweis auf diesen Fotos zu entdecken, aber ich
weiß nicht, wonach ich suchen muss. Alles wirkt nur furchtbar traurig auf
mich.«
    Wahlberg sah ihm über die Schulter, ihr Gesicht wirkte ernst.
    »Ich habe zumindest gleich ein Detail entdeckt, das mir nicht
gefällt«, sagte sie, »also, von meinem Standpunkt aus.«
    »Und was?«
    »Sie haben alle keinen Schutz.«
    »Schutz?«
    »Ich meine Kondome«, erklärte die Ärztin. »Die Männer müssten
Kondome tragen. Aber das sieht man wahrscheinlich nie in solchen
Zeitschriften.«
    Gerlof musterte sie interessiert.
    »Sie haben so etwas schon einmal gesehen?«
    »Ich war doch Schulärztin. Junge Männer kaufen sich solche Hefte und
bekommen vollkommen falsche Vorstellungen. Sie gehen davon aus, dass diese
Phantasien der Realität entsprechen.«
    »Sie tragen keinen Schutz, das stimmt. Aber Sie irren sich in einer
Sache.«
    »Wobei denn?«
    »Es sind keine Phantasien. Für diejenigen, die fotografiert werden,
ist es Wirklichkeit.«
    Wahlberg erhob sich.
    »Ich gehe mal rein und stelle Ihre Medizin zusammen, Gerlof.« Auf
dem Weg ins Haus drehte sie sich um und fügte hinzu: »Ich möchte Ihnen einen
guten Rat geben: Werfen Sie diese Zeitschriften so bald wie möglich weg. Ich
glaube nicht, dass Sie sich wünschen, dass Ihre Töchter sie finden.«
    »Sie meinen, wenn ich plötzlich tot umfalle?«
    Die Ärztin lächelte nicht.
    »Tatsächlich finden sich häufig bei Verstorbenen solche Dinge unter
einer Matratze oder in Schubladen versteckt, ob im eigenen Haus oder im
Altersheim. Das passiert öfter, als man glaubt. Und es ist immer traurig, wenn
das eigene Kind oder Enkelkind sie entdecken muss.«
    Gerlof nickte.
    »Sie gehören mir ja noch nicht einmal«, sagte er, »aber ich
übermittele dem Besitzer Ihre Einwände.«
    Nachdem Doktor Wahlberg gegangen war, fuhr Gerlof damit fort, die
Zeitschriften durchzublättern. Es gab eine erschreckend geringe
Variationsbreite. Seitenweise blonde Mädchen in unterschiedlichen Stellungen –
er war überrascht, wie ermüdend das nach einer Weile war. Traurig und
deprimierend. Aber er machte weiter.
    Bei einem der Bilder hielt er plötzlich inne. Es war ein Farbfoto
und sah eigentlich aus wie alle anderen: Es zeigte einen muskulösen Mann, der
in einem kleinen

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