Blutstein
Natürlich tanzen fast nur Mädchen, und ja, sie
sind nackt. Aber die Männer sitzen nur rum und sehen ihnen dabei zu. Und sehnen
sich nach mehr.«
Das können Männer
gut , dachte Per.
»Gehörte das Moulin Noir meinem Vater?«
»Nein.«
»Aber er hatte mit dem Klub zu tun?«
»Nein, das kann man so nicht sagen. Jerry und ich hatten ein
Geschäftsabkommen, wenn man so will. Wir haben Anzeigen in seinen Zeitschriften
geschaltet, und Jerry kam ab und zu vorbei, um unsere Mädchen und Jungs
anzusehen. Einige von ihnen sind dann zu ihm ins Filmstudio gefahren und haben
für ihn gearbeitet.«
»Männer auch?«, fragte Per verwundert. »Haben Sie auch männliche
Tänzer?«
»Das hatten wir früher ... So eingeölte Bodybuilder, die mit den
Mädchen getanzt und Sexszenen vorgetäuscht haben. Aber heute nicht mehr. Die
Gesetze sind strenger geworden, was man in Schweden auf der Bühne alles zeigen
darf und was nicht. Deshalb tanzen bei uns nur noch Mädchen.«
»Aber diese Männer, die bei Ihnen getanzt haben – gab es da einen,
der Daniel Wellman hieß?«
»Jepp, der hat bei uns gearbeitet.«
»Und das war derselbe, der auch in Jerrys Filmen mitgemacht hat?«
»Klar. Daniel Wellman. Er war nur etwa ein halbes Jahr bei uns, aber
für Jerry hat er ein paar Jahre lang gearbeitet.«
»Allerdings unter einem anderen Namen«, sagte Per und holte einen
Stift und ein Stück Papier hervor. »Markus Lukas, oder nicht?«
»Ja, genau so nannte er sich«, bestätigte der Klubbesitzer.
»Jerry hat sie umgetauft«, sagte Per. »Alle Männer wurden zu ›Markus
Lukas‹.«
»Alle bekommen einen neuen Namen«, sagte der Mann in der Leitung.
»Das ist zu ihrem eigenen Schutz.«
»Wissen Sie, wo ich diesen Daniel Wellman erreichen könnte?«, fragte
Per. »Haben Sie eine Nummer?«
Der Mann lachte erneut trocken.
»Das wird schwierig.«
»Warum?«
»Er ist am selben Ort wie Jerry.«
Per starrte auf den Stift, der über dem Papier schwebte.
»Daniel Wellman ist tot ?
Sind Sie sicher?«
»Ja, leider ... Daniel war ziemlich kaputt und fertig, als ich ihn das
letzte Mal gesehen habe. Letztes Jahr hat er mich ein paarmal angerufen und
wollte Geld von mir. Aber er konnte kaum sprechen. Er war frustriert und
wütend. Und er wollte jemandem die Schuld für alles geben. Er hat viel von Hans
Bremer gesprochen. Bremer hat von Daniel verlangt zu schweigen.«
Schon wieder
dieser Bremer , dachte Per.
»Ein Markus Lukas hat offensichtlich auch meinen Vater verfolgt«,
sagte er.
»Das kann ich mir gut vorstellen ... Zum Schluss hat Daniel bestimmt
alle angepumpt, die er kannte. Dann aber hörten seine Anrufe auf.«
»Woran ist er denn gestorben?«, fragte Per und erwartete, erneut das
schreckliche Wort Krebs zu hören.
»Zuerst wusste es keiner, die Leute dachten, dass er drogenabhängig
ist. Aber letztes Jahr habe ich ein Mädchen getroffen, das bei uns im Klub und
bei Jerry mit ihm zusammengearbeitet hat. Sie hat mir erzählt, dass er ein paar
Monate zuvor gestorben ist. Sie ist sofort zum Arzt gegangen und hat sich
testen lassen, aber es gab kein Grund zur Panik.«
»Wie bitte?« Per verstand kein Wort. »Was hat sie testen lassen?«
»Ob sie sauber war.« Der Mann machte eine kurze Pause. »Ich weiß
nicht, wo Daniel sich angesteckt hat, er war der Meinung, dass es bei Jerry und
Bremer passiert sein musste. Er wollte sie dafür verklagen, hat er immer wieder
gesagt.«
»Angesteckt?«, fragte Per.
»Er war infiziert. Das passiert schon mal in der Branche. Ihr
›Markus Lukas‹ ist an Aids gestorben.«
63
A m
Morgen vor der Walpurgisnacht schlief Per bis neun Uhr, hatte aber trotzdem
einen schweren Kopf, als er aufwachte. Er hörte das Ticken der Küchenuhr, sah
aus dem Fenster und hatte das beklemmende Gefühl, unter einem hohen, weiten
Himmel eingesperrt zu sein.
Vierundzwanzig
Stunden noch .
Der Morgen auf Öland war grau und windig. Er überlegte, wie er den
Tag verbringen sollte, damit er so schnell wie möglich verging. Am liebsten
hätte er die Zeit vorgedreht, bis nach Nillas Operation.
Ein wichtiges Telefonat stand ihm noch bevor, er wollte Lars
Marklund anrufen, und gegen zehn Uhr griff er zum Hörer.
Die Polizei hatte keine neuen Erkenntnisse über Jerrys Tod für ihn,
aber wenigstens konnte Per berichten, dass es ihm gelungen war, den ominösen
»Markus Lukas« alias Daniel Wellman aufzuspüren. Und er teilte Marklund mit,
dass ebendieser Wellman HIV -positiv
gewesen und letztes Jahr verstorben
Weitere Kostenlose Bücher