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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Gerlof zunächst
eine Weile in seinem Gartenstuhl sitzen. Dann erst erhob er sich, um aus der
Küche eines von Ellas Tagebüchern zu holen.
    Mit Erinnerungen
Zeit verbringen , hatte er Frau Doktor Wahlberg gesagt – aber das
war genau genommen nur ein beschönigender Ausdruck dafür, dass er heimlich die
Tagebücher seiner Frau las.
    Er schämte sich, wenn er es tat, aber er konnte nicht damit
aufhören. Wenn Ella wirklich Sachen zu verbergen gehabt hatte, hätte sie die
Bücher doch selbst verbrennen müssen, bevor der Krebs sie mit sich nahm. Man
konnte sogar sagen, sie hatte Gerlof ihre Bücher vermacht.
    Er schlug die erste Seite auf und las:
    Heute ist der 3.
Juni 1957.
    Heute war in
Marnäs Markttag, mit vielen Besuchern und wunderschönem Wetter. Leider gab es
auch schon die ersten Wespen des Jahres.
    Gerlof ist gestern
Abend nach Borgholm gefahren, um dreißig Tonnen Kalkstein zu laden, die nach
Stockholm verschifft werden sollen. Morgen wird er mit dem Frachter aufbrechen,
und weil die Mädchen Sommerferien haben, werden sie ihn begleiten.
    Es ist leer hier
ohne Gerlof und die Mädchen. Als sie noch kleiner waren, sind wir jeden Sommer
mit den Fahrrädern zum Markttag geradelt. Aber jetzt sind sie groß, und heute
habe ich mich ein bisschen einsam gefühlt ohne sie. Ich traue mich nicht zu
weinen, weil es mir sonst noch schlechter geht, aber wenn ich daran denke, dass
Gerlof bis November auf der Ostsee unterwegs sein wird, bohrt sich die
Einsamkeit wie ein Messer in meinen Körper.
    Zum Glück bin ich
nicht vollkommen allein, denn ich habe ja mein kleines Kerlchen, meinen kleinen
Troll.
    Er schleicht
gebückt an der Steinmauer entlang und kriecht zwischen den Wacholdersträuchern
herum, um ein bisschen Milch und Kekse zu stibitzen. Aber er kommt nur mitten
am Tag, wenn ich allein bin und nicht so viele Menschen auf der Straße unterwegs
sind.
    Wahrscheinlich
fühlt er sich dann am sichersten.
    13
    D ie
Sonne brach durch die Wolken, als Per an diesem Sonntag Öland verließ, um nach
Ryd zu fahren und sich um seinen Vater zu kümmern. Er hatte am frühen Morgen
mehrmals versucht, Jerry auf seinem Handy zu erreichen, aber ohne Erfolg. Die
innere Unruhe wuchs mit jeder Minute.
    Als Jesper und er beim Mittagessen zusammensaßen, hatte ihm Per die
Umstände erläutert:
    »Ich glaube, dass dein Opa meine Hilfe benötigt ... Er klang ziemlich
verwirrt, als er anrief, und ich muss zu ihm fahren und nach dem Rechten
sehen.«
    »Wann kommst du denn zurück?«, fragte Jesper.
    »Heute Abend. Es kann später werden. Aber ich komme heute zurück.«
    Dann stellte er eine Rufumleitung von dem Festnetzanschluss auf sein
Handy ein, damit Jesper nicht mit seinem Großvater reden musste, falls Jerry
noch einmal anrufen sollte.
    Als Per ging, saß sein Sohn vor einem Computerspiel im Wohnzimmer,
aber er winkte ihm zu. Auch Per hob die Hand und winkte zurück.
    Um Jesper musste er sich keine Sorgen machen, im Kühlschrank gab es
Fleischbällchen. Per war kein verantwortungsloser Vater, und er war nicht beunruhigt, als er Stenvik
verließ und nach Süden zur Brücke fuhr.
    Die Sonne schien, der Frühling war gekommen. An diesem Tag war wenig
Verkehr, und er konnte das Gaspedal voll durchdrücken.
    Gegen ein Uhr hatte er Borgholm passiert, und etwa eine halbe Stunde
später hatte er die Ölandbrücke zum Festland erreicht. Als er an Kalmar
vorbeifuhr, sah er ein Krankenhausschild, und er versuchte, seine Sorgen um
Nilla zu unterdrücken. Er würde auf dem Nachhauseweg bei ihr vorbeischauen.
    Hinter Nybro war die Landstraße von dichtem Nadelwald umgeben, der
nur vereinzelt von Feldern und Seen unterbrochen wurde. Die Nadelbäume wiederum
erinnerten Per an Regina und an einen wunderschönen Ausflug in den Wald, den
sie vor vielen Jahren an einem Frühlingstag unternommen hatten.
    Auf die bevorstehende Begegnung mit seinem Vater freute er sich
nicht. Zwei Stunden würde er noch etwa bis Ryd benötigen, dann zwei weitere
Stunden, um ihn nach Kristianstad zurückzubringen. Vier bis fünf Stunden in
Jerrys Gesellschaft zu verbringen war eigentlich nicht viel verlangt, aber es
fühlte sich jetzt schon an wie eine Ewigkeit.
    Nach zwei Stunden Fahrt durch die Wälder erreichte er Ryd.
Mittlerweile hatte sich die Sonne hinter Wolken versteckt, und der Frühling
fühlte sich plötzlich wie Herbst an.
    Ryd war keine besonders große Ortschaft, die Bürgersteige waren
menschenleer. Per hielt am Busbahnhof und suchte vergeblich nach

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