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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Vater mit der blassen Haut, den grauen Haarsträhnen. Sein Körper war mit
einem zerknitterten Mantel bedeckt.
    »Es war schwer, dich zu finden, Jerry? Wie geht es dir?«
    Per sah in die glänzenden Augen seines Vaters, er schien kein
bisschen überrascht darüber, seinen Sohn zu sehen.
    »Bremer?«, antwortete er nur und hustete.
    Per schüttelte den Kopf. Er sprach mit gedämpfter Stimme, als würde
sie jemand belauschen.
    »Ich weiß nicht, wo Bremer ist ... Ist er hier im Haus?«
    Er erahnte mehr das Nicken seines Vaters, als dass er es sehen
konnte.
    »Kannst du aufstehen?«
    Er streckte ihm seine Hände entgegen und berührte dabei etwas Kaltes
und Schweres auf Jerrys Brust. Eine Art Lampenstativ oder Stahlgestell war auf
ihn gefallen. Per hob es an – in diesem Augenblick hörten sie einen dumpfen
Schlag. Er fuhr hoch.
    Jemand befand sich im ersten Stock.
    »Steh auf«, flüsterte er Jerry zu und schob das Stativ beiseite. »Na
los, komm schon.«
    Er hievte seinen Vater zuerst auf die Knie, dann auf die Füße. Jerry
stöhnte und streckte sich nach einem Gegenstand, der auf dem Boden lag.
    Es war seine alte lederne Aktentasche. Per ließ ihn sie aufheben.
    »Jetzt komm endlich«, sagte er.
    Sein Vater war breit und schwer, gezeichnet von zu vielen
ausgedehnten Festmahlen und zu viel Wein. Gestützt auf den Arm seines Sohnes,
schlurfte Jerry langsam aus dem Zimmer.
    »Pelle«, krächzte Jerry erneut.
    Per roch Schweiß, Nikotin und ungewaschene Kleidung. Es war ein merkwürdiges
Gefühl, seinem Vater körperlich so nah zu sein. Als kleiner Junge war ihm das
nie vergönnt gewesen. Von Jerry hatte es nie einen freundlichen Klaps oder gar
Umarmungen gegeben.
    Als sie die Hälfte der Strecke zur Tür geschafft hatten, war ein kurzes,
klickendes Geräusch zu hören, dann folgte ein Zischen.
    Per drehte sich um. Über seine Schulter sah er weiter hinten im Raum
einen hellen Lichtschein, eine kleine Flamme, die aufflackerte.
    Sie war zunächst dünn und zart, wuchs aber schnell an, das Feuer
breitete sich aus und erleuchtete eine merkwürdige Installation. Eine mit
vielen Kabeln umwickelte Autobatterie stand neben einem Plastikkanister.
    Per begriff, dass er nicht Alkohol gerochen hatte, sondern Benzin.
    Der Kanister war groß und grün, jemand hatte Löcher hineingebohrt,
aus denen das Benzin auslief und bereits eine Pfütze auf dem Boden gebildet
hatte.
    Per starrte ins Feuer, sah, wie es an Größe gewann und sich seinen
Weg zu der Installation bahnte. Da wusste er, in welcher Gefahr sie waren.
    »Wir müssen hier raus.«
    Er zog Jerry mit sich aus dem Zimmer.
    Dann schloss er die Tür hinter sich. Kaum hatte er das getan, hörten
sie einen dumpfen Knall hinter sich, der Benzinkanister war explodiert. Die Tür
ächzte.
    Jerry hob den Kopf, und da erst sah Per, dass er eine dicke rote
Beule auf der Stirn hatte.
    »Pelle?«
    »Komm jetzt, Jerry.«
    Den Arm um Jerrys Körper gelegt, stolperte er mit ihm durch die
Eingangshalle. Hinter der Tür, wo sich das Feuer schnell ausbreitete, hörten
sie ein gedämpftes Knirschen.
    Per blinzelte ins Licht, als sie das Haus verließen, die Treppe
hinunter- und zum Saab taumelten.
    Als sie den Wagen erreicht hatten, ließ er Jerry los, zog sein Handy
aus der Tasche und wählte die Nummer der Notrufzentrale.
    »Notrufzentrale.«
    Per räusperte sich.
    »Ich möchte einen Brand melden.«
    »Wo denn?«
    Per sah sich um.
    »In einer Ortschaft außerhalb von Ryd, es war Brandstiftung ... es
brennt im Erdgeschoss.«
    »Wie lautet die Adresse?«
    Die Frau in der Notrufzentrale klang sehr entspannt. Per versuchte,
sich auch zu beruhigen und seine Gedanken zu sortieren.
    »Ich weiß nicht, wie die Straße hier heißt. Der Ort Strihult liegt
westlich von Ryd, und hinter Strihult zeigt ein Schild nach rechts zu MORNER ART  ...«
    »Haben alle das Haus verlassen?«, fragte die Frau.
    »Was?«
    »Ob alle Bewohner das Haus verlassen haben?«
    »Ich weiß es nicht ... ich bin eben erst angekommen.«
    »Und wie heißen Sie?«
    Per zögerte. Was sollte er antworten? Sich einen Namen ausdenken?
    »Hallo?«, rief die Frau. »Sind Sie noch dran?«
    Er hatte nichts zu verbergen. Jerry vielleicht, aber er nicht.
    »Ich heiße Per Mörner«, gab er an und nannte seine Adresse und die
Festnetznummer auf Öland.
    Dann beendete er das Gespräch.
    Jerry lehnte am Wagen. In dem diesigen Tageslicht sah Per, dass sein
Vater denselben zerknitterten braunen Mantel trug, den er seit Jahren von
Frühling bis

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