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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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zum Teufel tust du hier?«, schrie er. »Geh sofort zurück
und bewache den Wagen – erledige deinen Job ordentlich!«
    Etwa zwanzig Minuten später kamen sein Vater, Regina und Markus
Lukas zurück zum Auto, bekleidet. Regina hatte die Perücke wieder abgenommen.
    Auf dem Nachhauseweg machte sich Jerry die ganze Zeit über seinen
Sohn lustig.
    »Er dachte, wir wollen dich umbringen.« Jerry drehte sich zu den
beiden auf dem Rücksitz um. »Regina, der Kleine dachte, wir sind dabei, dich
draußen im Wald abzumurksen! Er wollte dich retten!«
    Per war nicht zum Lachen zumute.
    Er schaute zu Regina, aber sie vermied es, ihm in die Augen zu
sehen.
    Regina und Markus Lukas.
    Per konnte sich auch nach so vielen Jahren noch an die Namen
erinnern. Sein Kopf war schwer von Erinnerungen. Er richtete sich auf und sah
aus dem Fenster. Drüben bei den neuen Villen war alles menschenleer, die
Veranda der Larssons sah aufgeräumt aus, von dem gestrigen Fest waren keine
Spuren mehr zu erkennen.
    Die Feier hatte sich relativ schnell aufgelöst, nachdem Jerry das
Pornoheft auf den Tisch geworfen hatte. Das Ehepaar Kurdin hatte mit seinem
Baby das Fest als Erste verlassen, Gerlof Davidsson und John Hagman hatten sich
kurz darauf erhoben, und Vendela Larsson hatte begonnen, die Essensreste in die
Küche zu tragen. Vielleicht hatte sich Per das alles nur eingebildet, aber er
konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Nachbarn so schnell wie
möglich seiner und Jerrys Gegenwart entkommen wollten.
    Er wusste auch ungefähr, was ihn als Nächstes erwartete. Die
Gastgeber hatten zwar kein Wort darüber verloren, als er sich verabschiedet
hatte und mit Jerry nach Hause ging. Aber er wusste genau, dass die Fragen
kommen würden.
    »Sag mal, Per,
hast du auch Pornos gedreht?«
    »Nein.«
    »Keinen
einzigen?«
    »Ich hatte nie
etwas mit Jerrys Geschichten zu tun.«
    »Nie?«
    »Nein, nie.«
    Als Erwachsener fiel es ihm nicht mehr schwer, sich von seinem Vater
und dessen Geschäften zu distanzieren und zu versichern, dass er nicht wie er
war. Aber warum hatte er den Kontakt zu ihm nicht längst für immer abgebrochen?
Und warum hatte er diesen Fehler begangen, ihn mit nach Öland zu nehmen?
    Per wäre am liebsten noch im Bett geblieben, zwang sich aber
aufzustehen. Er hätte sich gewünscht, dass die Sonnenstrahlen an diesem
besonderen Morgen nicht so durchdringend gewesen wären. Er wollte nicht mehr an
Regina denken.
    Er wollte auch nicht mehr an die Nachbarn denken.
    Im Haus rührte sich noch keiner. Die Zimmertüren der Zwillinge waren
geschlossen, und als er in die Küche ging, konnte er die tiefen Atemzüge seines
Vaters aus dem Gästezimmer hören. Es war eine Mischung aus Schnarchen und
Zischen.
    Per kannte die Geräusche von den Besuchen bei seinem Vater in der
kleinen Wohnung in Malmö, die Jerry Mitte der Sechzigerjahre gemietet hatte,
ehe seine Geschäfte Gewinn abwarfen und das große Geld zu strömen begann.
    Allerdings hatte er noch vernehmlichere Geräusche gemacht, wenn er
Frauenbesuch hatte. Dann lag Per auf seiner Matratze vor dem Fernseher und
musste dem Ächzen und Zischen aus dem Nachbarzimmer zuhören, das sich mit dem
Stöhnen der Frauen mischte, mit vereinzelten Schreien und Heulkrämpfen. Wenn
Jerry in seiner Wohnung fotografierte oder Filmaufnahmen machte, hatte Per
immer Schwierigkeiten einzuschlafen. Trotzdem hätte er es niemals gewagt, anzuklopfen
und seinen Vater bei der Arbeit zu stören. Dann hätte er wieder Ärger bekommen
wie an dem Tag im Wald.
    Das Schlafzimmer war im Winterhalbjahr auch Jerrys Arbeitszimmer
gewesen, wenn es zu kalt war, in der freien Natur zu drehen. Dort wurde
fotografiert und gefilmt, und dort hatte er auch sein Büro eingerichtet. Er
hatte sich ein Wasserbett gekauft, das fast das halbe Zimmer ausfüllte und
unter dem er das Firmenkapital in einem dicken Briefumschlag aufbewahrte. Das
Bett war sowohl sein Büro als auch sein Spielplatz. Neben dem Bett standen zwei
Telefone, eine Rechenmaschine, eine Hausbar und ein Projektor, mit dem er Filme
an die Wand werfen konnte.
    Die wilden Zeiten ,
dachte Per. Aber damit ist
jetzt Schluss.
    Er klopfte an die Tür vom Gästezimmer.
    »Jerry?«
    Das Schnarchen verstummte, stattdessen hörte er ein Husten.
    »Du musst jetzt aufstehen, wir frühstücken gleich.«
    Per drehte sich um und entdeckte das schwarze Handy, das auf dem
Tisch im Flur lag. Es gehörte Jerry. Er sah, dass es eingeschaltet war und
morgens um sieben Uhr ein Anruf

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