Blutstern
Mörder gefasst ist. Haben Sie keine Idee, wer es gewesen sein könnte?«
»Wenn ich das wüsste. Kommissar Rotfux hat mir die gleiche Frage natürlich mehrfach gestellt, doch ich habe keine Ahnung.«
Bernhard Flieger sah ihn enttäuscht an. »Wenn Ihnen irgendetwas auffällt, Herr Drucker, bitte ich Sie, es mir zu sagen. Dieser ganze Schwachsinn, der in den letzten Tagen durch die Presse ging, hat mir und der Firma sehr geschadet. All diese Verdächtigungen, all diese Anschuldigungen. Unglaublich!«
»Es tut mir wirklich leid, Herr Flieger, aber was kann ich da tun? Ich fühle mich genauso unwohl. Ãberall starrt man mich an. Ich glaube, ich kann Sie ein wenig verstehen.«
Zum ersten Mal lächelte Bernhard Flieger. »Jaja, schon gut, Sie können nichts weiter tun. Ich bin ein wenig selbst schuld. Habe die Satanische Bibel von LaVey unbekümmert in meinem Bücherregal stehen lassen, habe mir einfach nichts dabei gedacht, meinte nichts verbergen zu müssen â aber da habe ich mich schwer getäuscht. Jetzt ist die Polizei hinter mir her und meint, sie habe eine heiÃe Spur entdeckt.«
»Trotzdem hat man Sie wieder frei gelassen.«
»Klar, weil sie in der Villa weiter nichts gefunden haben. Sehen Sie, mein Bruder Martin hat sich damals ebenfalls für Satanismus begeistert. Das war so in den Siebzigern. Man wollte frei sein, Wände einreiÃen, die Ketten von Vorschriften und Verboten durchbrechen. Da kam man auf solche Ideen. Auch Oskar Leitner war dabei, Sie wissen schon, der Inhaber der Konkurrenz. Mein Bruder rennt inzwischen ständig in die Kirche, ist völlig umgeschwenkt, den lassen sie in Ruhe, doch hinter mir sind sie her.«
Fast tat der verzweifelte Mann Thomas leid, wie er bleich und nervös hinter seinem riesigen Schreibtisch saÃ. »Haben Sie denn nichts mehr mit Satanismus zu tun?«
»Ich würde sagen, das war im Wesentlichen eine Jugendsünde. Zwar bin ich nicht so völlig umgeschwenkt wie mein Bruder, könnte mir also vorstellen, dass es Gott und Satan gibt, aber deshalb begeht man keinen Mord.«
Irgendwie klang das glaubwürdig für Thomas Drucker. Trotzdem wusste er nicht so recht, was er von allem halten sollte. Vielleicht versuchte er abzulenken, vielleicht wollte er ihn auf seine Seite ziehen, um sich gegenüber der Polizei zu verteidigen.
»Ich hätte einen Vorschlag, Herr Drucker«, sagte Bernhard Flieger und erhob sich. »Ich möchte Ihnen das âºDuâ¹ anbieten. Sie kennen meine Tochter schon lange, da wäre das vielleicht angemessen â natürlich nur, wenn Sie möchten.«
Thomas schluckte erneut. Damit hatte er nicht gerechnet. Fieberhaft arbeitete sein Hirn. Er konnte nicht ablehnen, vor allem wegen Sabine nicht. Lange hatten sie sich das gewünscht, ausgerechnet in diesem seltsamen Augenblick kam das Angebot. Er durfte nicht ablehnen.
»Gern«, sagte er und lächelte so freundlich er konnte.
»Das freut mich, ich bin Bernhard.«
»Ich bin Thomas.«
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand. Bernhard Flieger drückte den Knopf seiner Sprechanlage zum Vorzimmer.
»Hallo, Frau Duckstein, bringen Sie bitte zwei Gläser und den Champagner. Wir haben eine Kleinigkeit zu feiern.«
Zufrieden saà er hinter seinem mächtigen Mahagonischreibtisch. »Es werden wieder bessere Tage kommen, Thomas«, sagte er.
»Bestimmt Herr Flieger ⦠äh, Bernhard. Ich muss mich noch an das âºDuâ¹ gewöhnen.«
»Schon okay, das wird bald.«
Karin Duckstein öffnete die Tür des Büros und stolzierte mit dem Champagner und zwei Gläsern zum Schreibtisch. Diesmal genoss Thomas den langen Weg, den sie zurücklegen musste. Irgendwie kam in ihm eine Ahnung auf, warum Chefbüros so groà sein mussten.
»Also, Thomas, dann auf das âºDuâ¹Â«, prostete ihm Bernhard Flieger zu, »und wenn es etwas Neues in unserem Fall gibt, informierst du mich.«
Er betonte dieses âºin unserem Fallâ¹ so deutlich, dass Thomas fast das Gefühl bekam, er sei gerade als zukünftiger Schwiegersohn in die Familie Flieger aufgenommen worden.
10
Â
Knapp vier Monate lag Ilona Drucker nun schon unter der Erde. Es war ruhiger geworden um den Fall. Thomas Drucker konzentrierte sich auf die Arbeit in der Firma Flieger-Moden und war froh, dass wieder etwas Normalität eingekehrt war. Fast schien es, als ob
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