Blutstrafe - Thriller
einen kalten Schauder über seinen Rücken laufen, als würde eine Schlange an seiner Wirbelsäule nach unten gleiten. Sein Anzug war fertig.
Derjenige, in dem er sterben würde.
Das konnte man wahrhaftig als letzte Anprobe bezeichnen.
» Hervorragend. Danke, Michael«, sagte er und blätterte seine Post durch.
Den großen Umschlag mit der eingeprägten Einladung sah er sich genauer an. » Mr. und Mrs. Blanchette« stand dort als Absender. Er nickte befriedigt. Jemand, den er aus seinem früheren Leben kannte, hatte ihn auf die Gästeliste setzen lassen. Die Blanchettes hatten keine Ahnung, wer Mr. Meyer war.
» Michael?« Er tippte mit dem Umschlag gegen sein Kinn, während er zum Fahrstuhl ging.
» Ja, Sir?«
» Ich bräuchte dringend einen Termin beim Hotelfriseur.«
» Schon erledigt, Mr. Meyer«, erwiderte Michael.
» Und würden Sie bitte eine Flasche Champagner nach oben schicken? Ich denke, ein Rosé wäre gut.«
» Dom Pérignon oder Veuve Clicquot?«, erkundigte sich Michael, der die Lieblingsmarken seines Gastes kannte.
» Wie wär’s mit beiden?« Der Lehrer warf ihm sein gewinnendstes Lächeln zu, das er sein Tom-Cruise-Spezial nannte. » Man lebt nur einmal, Michael. Man lebt nur einmal.«
73
Eindreiviertel Stunden später stand der Lehrer bei Barneys vor einem bodenlangen Dreifachspiegel.
» Gefällt dem Herrn, was er sieht?«, erkundigte sich der Verkäufer.
Bei dem marineblauen Kaschmiranzug handelte es sich um einen Gianluca Isaia, hatte ihm der Stiefellecker mit einer Stimme verraten, die liebevoll und ehrfürchtig klang wie die eines Heiligen, der den Namen Gottes ausspricht. Zum Anzug hatte er ein Seidenhemd von Battistoni und Schnürschuhe von Bettanin und Venturi gewählt.
Der Lehrer musste zugeben, dass er verdammt gut aussah. Eine James-Bond-Erscheinung. Wie der Bond aus dem letzten Film, einschließlich dessen blondem Haar nach dem Schneiden und Färben.
» Dem Herrn gefällt, was er sieht«, bestätigte der Lehrer schließlich mit einem Grinsen. » Wie hoch war die Rechnung noch mal?«
Der Verkäufer tippte Zahlen in seine Kasse ein. » 8826 Dollar«, verkündete er nach einer Minute. » Einschließlich der Socken.«
Oh, einschließlich der Socken. Ein Schnäppchen!
» Wenn die Ausstattung zu teuer ist, könnte ich Ihnen etwas anderes zeigen.« Die Stimme des Verkäufers klang eindeutig herablassend.
Aus dem Augenwinkel heraus sah der Lehrer, dass das makellos gekleidete kleine Arschloch sogar die Dreistigkeit besaß, die Augen zu verdrehen.
Diese Luxusladenverkäufer lernten ihre Lektion einfach nicht! Am liebsten hätte der Lehrer dieses abgestumpfte Stück Scheiße gefragt, wann er denn zum letzten Mal eine vierstellige Summe für einen Anzug bezahlt hatte. Dieser Kerl bettelte genauso wie viele andere um eine Kugel in den leeren Raum zwischen seinen Ohren.
Der Lehrer holte tief Luft. Beruhige dich, sagte er sich. Ja, genau so. Guter Junge. Jetzt, so nah am Ziel, so nah dran, die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken, war nicht der Zeitpunkt für einen dummen Wutausbruch.
» Ich nehme die Sachen so, wie sie sind.« Der Lehrer griff in seinen Vuitton-Koffer neben dem Spiegel und fuhr mit den Fingern über den stählernen Waffelmustergriff einer seiner beiden 50-Schuss-Intratec-Tec-9-Maschinenpistolen, die unter dem butterweichen Nappaleder wie zwei treue Freunde warteten.
Widerwillig ließ er seine Hand weitergleiten und zog seine Brieftasche mit der schwarzen American Express Card heraus.
» Einschließlich der Socken«, sagte er.
74
» Wie heißt denn das süße Hündchen?«, fragte der mit einem Turban bekleidete Taxifahrer, als er vor dem Metropolitan Museum of Art hielt.
» I-Tüpfelchen«, antwortete der Lehrer, bezahlte den Fahrer und zerrte den platinblonden Malteser aus dem Taxi.
Er hatte den Hund auf dem Weg hierher in einer Haustierboutique gekauft. Er würde der Vorwand für seine Aufklärungsarbeit im Haus der Blanchettes sein. Ein extrem gut gekleideter Metrosexueller mit einem Schoßhündchen würde in diesem Teil der Upper East Side alles andere als auffallen.
Mit dem an seiner Leine zerrenden Hund ging der Lehrer die Fifth Avenue auf der Parkseite entlang. Einen Block südlich der Blanchettes blieb er stehen und betrachtete das rege Treiben vor dem Wohngebäude. Bentleys und Limousinen parkten in zweiter Reihe, Türsteher eilten hin und her, während gut betuchte Damen und Herren aus den Fahrzeugen stiegen und unter die Markise
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