Blutsvermächtnis (German Edition)
einer separaten Kammer in seinem Anwesen bestattet.
Einen Ersatz für das Haustier hatte es nie gegeben, konnte es nicht geben.
Das Rascheln der Decken riss Elia aus seiner Versunkenheit. Maria regte sich und wachte auf. Er erhob sich aus dem Sessel und trat auf das Bett zu. Sachte nahm er Marias Finger in die Hand. Sie hatte etliche Stunden geschlafen, in denen er sich nicht von ihrer Seite bewegt hatte, um sicherzugehen, dass sie durchkommen würde. Um notfalls einzugreifen, sollte eine weitere Blutgabe notwendig sein.
Welche Selbsttäuschung. Er hatte nur Zeit zum Nachdenken gewinnen wollen, doch die wahren Überlegungen und Entscheidungen, die er hätte treffen sollen, hatte er geflissentlich gemieden.
Maria schlug die Augen auf und ein verwirrter Blick traf ihn.
„Es ist alles gut, Maria. Sie sind gerettet und in Sicherheit. Das Beben ist vorüber.“
„Mylady?“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Maria. Der Mylady geht es gut. Sie hat uns verlassen und ist in ihre Heimat zurückgekehrt.“
Pure Wut tobte in seinem Bauch, als er die Bilder aus Morrisons Aura vor sich sah, wie dieser über das Schalt-board an der Wand die Hydraulik zum Öffnen der Tiefgarage in Bewegung gesetzt hatte, seine wie paralysiert ein Handy ans Ohr pressende Tochter und einen seiner teuersten Geländewagen nach draußen verfrachtete und sich wieder ins Innere zurückzog. Er hätte auf Crichton hören sollen, der die Installation eines Codesystems vorgeschlagen hatte.
„Sir Morrison …“
„Auch ihm geht es gut. Crichton kümmert sich um ihn.“ Es gelang Elia nur mit Mühe, ohne Groll zu sprechen und das Dienstmädchen nicht unnötig zu verunsichern.
Maria nickte. Ihre Lider schlossen sich wie von Bleigewichten hinabgezogen und sie fiel erneut in den erholsamen Schlaf der Genesung.
Elia verließ den Raum. In der Küche traf er auf eine Schar von sechs Angestellten. Er bat eines der Mädchen, sich um Maria zu kümmern, anschließend erkundigte er sich nach Morrisons Befinden. Auf dem Weg in die Bibliothek versickerten seine Gedanken in einem tiefen Sumpf und nur noch ein einziges Wort tobte in seinem Schädel: Nevaeh! Er konnte sich noch so sehr gegen die Gewalt stemmen, die versuchte, die Verdrängung beiseitezuschieben, es half nicht. Er musste die Erkenntnis zulassen und begreifen, dass er Nevaeh verloren hatte.
Los Angeles – Kalifornien
N evaeh rang mit ihrer Empörung. Nur zu sehr hafteten die Erinnerungen an ihre letzte Gefangenschaft in Santiago im Gedächtnis; die Aussichtslosigkeit, aufzubegehren. Sie versuchte, sich Mut zuzusprechen. In Chile hatte man sie in ein Loch gesteckt, das nicht einmal eines Tieres würdig war – hier saß sie in einem eleganten Schlafzimmer mit freundlicher Atmosphäre, einem luxuriösen Badezimmer und vor ihr stand eine Schale mit Obst auf einem kleinen Tisch. Getränke befanden sich in einem Minikühlschrank.
„Es ist nur zu Ihrem Besten, vertrauen Sie uns“, klangen immer wieder Korhonens Worte in ihren Ohren nach. „Melden Sie sich, sobald Sie bereit sind, mit unserem Psychologen zu reden. Tippen Sie einfach die zehn auf dem Telefon.“
Selbstverständlich hatte sie als Erstes versucht, eine andere Nummer zu wählen, doch sie bekam kein Amt. Auch der Notruf funktionierte nicht. Ihr Handy und ihre neue Armbanduhr hatten die Men in Black ihr abgenommen.
Sie spielte mit dem Gedanken, sich die Äpfel aus der Schale zu schnappen und sie an die Wand zu schmettern. Stattdessen trat sie an das Fenster und legte die Handflächen und die Stirn an das kühle Glas. Nach einer Weile suchte sie die Sonne. Es schien mittlerweile später Nachmittag zu sein. Die Aussicht verriet, dass sie sich außerhalb von L. A. in einer ländlichen Gegend aufhielten, denn sie blickte in einen Garten mit kahlen Bäumen. Auf dem Boden häufte sich kein Laub, es musste sich jemand um das Anwesen kümmern. Den Gedanken an einen Fluchtversuch hatte sie bereits bei Betreten des Raumes in Anbetracht des von außen angebrachten Fenstergitters aufgegeben. Vor der Tür hörte sie hin und wieder Geräusche. Garantiert standen die Bodyguards dort und würden nicht nur verhindern, dass sie das Zimmer verließ, sondern es wahrscheinlich auch bei jedem ungewöhnlichen Ton stürmen.
Nevaeh gab sich einen Ruck und ging zur Tür. Mit den Fäusten hämmerte sie gegen das Holz und stolperte, als das Türblatt nach außen aufschwang. Wie sie vermutet hatte, standen die beiden Schwarzgekleideten vor ihr.
„Wo ist Jayden?
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