Blutsvermächtnis (German Edition)
Kolonne von Angestellten vorzustehen.
Diesen Wunsch würde er niemals erfüllen können. Ein trockenes Lachen entfuhr ihm, als er daran dachte, dass er über die heimlichen Personalschulungen in San Pedro Bescheid wusste. Auch diesen Spleen hatte er dem Butler gelassen und er hatte sich nicht einmal zu Unrecht als nützlich erwiesen. Wie anders hätte er in kürzester Zeit an eine Menge geschultes Personal kommen können? Der Butler dachte vorausschauender als er. Nun ja, ihm wäre eine solche Entwicklung wie derzeit niemals nur ansatzweise in den Sinn gekommen, weshalb er nicht die geringste Notwendigkeit gesehen hatte, überhaupt an weitere Bedienstete außer Crichton zu denken.
Während er Maria in eines der Zimmer getragen hatte und sie auf ein Bett legte, waren seine Gedanken tiefer in die Vergangenheit geglitten.
Es musste etwa um das Jahr 1410 gewesen sein, als Crichton als unehelicher Sohn eines Earls of Pembroke zur Welt gekommen war. Neben ihm gab es noch einen weiteren Nachkömmling, ebenfalls unehelich – der später jedoch den Titel erlangte, während er Charles verweigert wurde. Er hatte sich die Ehre eines Tages im Geheimen selbst verliehen, nachdem er in diversen Schlachten die gleichen Würden errang wie sein Bruder, jedoch nicht die gleiche Würdigung erfuhr. Irgendwann zwischen dem Ende des Rosenkriegs, dem Kampf zweier Adelsfamilien um die englische Thronherrschaft und dem Anbruch des 16. Jahrhunderts, lernten sie sich kennen. Vollkommen verarmt und von seiner Sippschaft verstoßen, fristete Crichton sein Dasein als Bettler in den dunkelsten Gegenden Londons, dessen Einwohnerzahl sich in den zurückliegenden Jahren beinahe verdoppelt hatte. Elia logierte damals für einige Zeit in der Londoner Residenz seines Freundes Richard, dem Herzog of Gloucester und Bruder des amtierenden Königs Eduard IV.
Aus Langeweile hatte er allabendlich an den hohen Fenstern gestanden und hinab in die Straßen der Stadt geblickt. Ob seiner enormen Sehfähigkeit im Dunkeln blieb ihm kein Geheimnis der Nacht verborgen. Zu seiner Kurzweil ließ er die Sinne schweifen und tastete die Auren der wenigen herumstreifenden Menschen ab. Dabei war ihm Crichton in wiederkehrender Folge über Wochen hinweg begegnet. Elia hatte begonnen, sich das Leben des Bettlers als sein eigenes vorzustellen und je tiefer er sich gedanklich darin verstrickte, desto mehr bedrängte ihn das Gefühl, nicht tatenlos zusehen zu wollen, wie der arme Mann seinem Ende, das nicht in weiter Ferne lag, entgegensteuerte.
An dem Abend, als Elia spürte, dass Crichtons Zeit gekommen war, hatte er sich als Bettelbruder verkleidet in die Gassen begeben und sich zu ihm gesellt. Er bot ihm seine Holzflasche mit billigem Fusel an, doch der Mann lehnte ab. Erst da kam es Elia zu Bewusstsein, dass er den Bettler nie betrunken erlebt hatte. Er trank gar keinen Alkohol. Es war schwierig, den Greis in ein Gespräch zu verstricken, aber irgendwann war es ihm gelungen und sie schwelgten in Erinnerungen an den Feldzug der Eroberung Nordfrankreichs und die Belagerung Orléans’. Den Rückzug der englischen Armee hatten beide nicht mehr mitbekommen, Crichton war im Dezember aufgrund von Verletzungen nach England zurücktransportiert worden. Dass sich Elia aus Tristesse davongemacht hatte, gestand er Crichton erst lange Zeit später.
Am Morgen nach dem mehrstündigen Gespräch sah Elia Gevatter Tod förmlich auf den Alten zueilen. Der Zufall wollte es, dass sich in der Nacht ein streunendes Kätzchen zu ihnen gesellt hatte, auf das ebenfalls der Tod wartete. Elia fragte den Bettler – und der Satz formte sich wörtlich wie damals in seinem Kopf – wessen Seele er dem Sensenmann anbieten würde, gäbe dieser sich für den Moment mit einer einzigen Eroberung zufrieden und ließe die andere Seele weiterleben. „Gebt Ihr Eure Seele oder die des Kätzchens?“ Bereits mit glasigen Augen hatte Crichton geantwortet, dass er seine böte und versuchen würde, das Kätzchen zu retten.
Elia hatte daraufhin beiden Tropfen seines Blutes eingeflößt. Crichton wurde sein Freund und Butler und das Kätzchen entwickelte sich zu einem prachtvollen Kater namens Aristides, der viele Jahre ihr gemeinsames Dasein bereichert hatte, bis Elia eines Tages spürte, dass das Tier kein Blut mehr von ihm nehmen wollte. Daraufhin hatteer das Fellknäuel in die Arme geschlossen und es stundenlang gestreichelt, bis es friedlich in seinen Armen in den ewigen Schlaf glitt. Die Gebeine hatte er in
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