Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
Achtzigerjahre zurückgehen. Nichts, was wir nicht schon wüssten«, antwortete dieser.
»Irgendwelche Verbindungen zu Antonio Russo?«
»Keine.«
»Nicht mal bei einer Straßenkontrolle aufgefallen?«
Der Leiter der Squadra Mobile schüttelte den Kopf.
»Irgendwelche Erkenntnisse aus den Akten der anderen Opfer?«, fragte Trimarchi weiter.
»Nichts von Bedeutung. Keine Vorstrafen. Nur Anträge bei Behörden, unter anderem auf Ausstellung eines Reisepasses.«
»Und wie sollen wir diese Operation nun nennen?«
Es gab mehrere Ideen, aber die von Foti kam am besten an.
Operation Bergamottblüte.
Die Bergamottbäume gedeihen besonders zahlreich auf dem schmalen Landstrich zwischen Villa San Giovanni und Monasterace, der auf der Binnenseite von den letzten Ausläufern des Aspromonte begrenzt wird und auf der anderen vom Ionischen und Tyrrhenischen Meer. In diesem Gebiet lag auch San Piero d’Aspromonte.
Es stimmte, in Amerika hatte sich ein heftiges Beben ereignet, doch das Epizentrum schien hier bei ihnen in Kalabrien zu liegen, wo das Land nach Meer und Bergamottblüten duftete, aber auch nach dem Blut unzähliger Opfer.
Kurz darauf kamen die Amerikaner in das Büro des Colonnello.
Bill Hampton hielt einen Stoß Fotos in der Hand.
»Colonnello, meine Kollegen würden gern diesen Ort besichtigen«, verkündete Bob Holley und zeigte ihm den Ausdruck des Fotos von Rocco Fedeli vor der kleinen Kirche.
Trimarchi genügte ein flüchtiger Blick darauf.
»Das ist die Wallfahrtskirche der Madonna d’ Aspromonte«, sagte er.
»Ja, das hat uns die Nichte bereits gesagt«, bemerkte Bernardi.
»Wo befindet sich diese Kirche genau?«, fragte Bob Holley.
»In einem tiefen Tal, einem der unwegsamsten, unzugänglichsten und wildesten Gebiete …« Trimarchi erklärte, dass in diesem Ort, der inmitten von Wäldern aus Pinien, Buchen, Kastanien, Steineichen und Farnen lag, jedes Jahr eine Wallfahrt stattfand, ein jahrhundertealter Brauch, an dem Groß und Klein, Arm und Reich, Gerechte und Sünder teilnahmen. Zu Letzteren war eine regelmäßig anwesende Gruppe zu rechnen: die Mitglieder der ’Ndrangheta. Sie hielten dort ihre Jahrestreffen ab, denn viele kamen von weit her, manche sogar aus Übersee, um eine Bilanz ihrer kriminellen Unternehmungen zu ziehen und gemeinsame Ziele für das folgende Jahr festzustecken. Dort tagte sozusagen ihr Parlament, aber auch ihr Gerichtshof.
»Die können Sie nicht besichtigen, zumindest jetzt nicht«, sagte der Colonnello mit Nachdruck.
Die Amerikaner sahen sich fragend an.
»Neue Gesichter würden in der Gegend sofort auffallen und Verdacht erregen«, fügte er hinzu.
Damit stand er abrupt auf.
Barcelona
Sie bedienten sich bei ihren Telefonaten eines Geheimcodes und unterbrachen die Verbindung öfter, wenn nötig, auch mitten im schönsten Gespräch.
Sie wollten sich in Barcelona treffen. Wie schon so oft.
Sie waren dicke Freunde, Antonio Russo und Diego Lopez.
Der kalabrische Boss war nach fast ununterbrochener Fahrt mit seinem Mercedes in Begleitung von zwei seiner Getreuen, mit denen er sich wie schon öfter am Steuer abgewechselt hatte, in der katalanischen Hauptstadt angekommen.
Sie gingen ins Restaurant Senyor Parellada, das sie unter anderem wegen seiner angenehm entspannenden Atmosphäre schätzten. Antonio Russo gefiel wirklich alles an dem Lokal: die gedämpfte Beleuchtung der kleinen Tischlampen aus weiß-rosa Glas, die gelb, weiß und blau gestrichenen Wände, die Treppe mit dem Holzgeländer in denselben Farben.
Eine reichhaltige Mahlzeit aus Paella und Sangria sorgte dafür, dass sie sich wie neugeboren fühlten. Nach dem Essen begaben sie sich in ihr gewohntes Hotel, das in einer Seitenstraße der Ramblas lag.
Der Angestellte an der Rezeption empfing den Kalabresen mit der gewohnten Freundlichkeit.
»Willkommen in Barcelona, Senyor Russo. Wir haben Ihre Suite für Sie reserviert.«
»Danke«, sagte Russo lächelnd und steckte ihm einen Hundert-Dollar-Schein zu.
»Tausend Dank, Senyor. Wünschen Sie heute Nacht wieder Gesellschaft?«
»Ja, dasselbe Mädchen, um Mitternacht.«
Wieder ein Lächeln.
»Um Mitternacht?«
»Genau.«
»Okay.«
Sie trafen sich im Tablao Flamenco Cordobés, das mitten im Zentrum und vor allem in der Nähe des Hotels lag.
Als Antonio Russo hereinkam, saß Diego Lopez in einem eleganten maßgeschneiderten Anzug bereits am Tisch. Er war stets überpünktlich. Anfang vierzig, mittelgroß, sehnig, dunkles Gesicht, die
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