Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
ich leider nicht beifügen.«
Er machte weiter.
Sein Blick forschte jetzt noch aufmerksamer und fiel auf die Fotokopie eines weiteren handgeschriebenen Briefes, der nicht wirklich anonym war. Am unteren Ende standen die Initialen A. R.
Er las.
… ich will mich nicht zum Opfer stilisieren, aber ich bin entschlossen, alles zu unternehmen, viel mehr noch als bisher, und jedes verfügbare, auch gesetzwidrige Mittel anzuwenden, um das Unrecht bekannt zu machen, das Sie und Ihre Einheit zu dem Zweck begangen haben, mich für ein Verbrechen verurteilen zu lassen, das nicht zu meinen Lasten geht. Schon bei einer einfachen Durchsicht der Prozessakten müsste jedermann klar werden, mit welcher Oberflächlichkeit die Ermittlungen gegen mich durchgeführt wurden. Für die Straftaten, derer ich mich schuldig gemacht habe, habe ich bezahlt, aber ich beabsichtige nicht, als Sündenbock für andere herzuhalten.
Sehr geehrter Dottor Ferrara, setzen Sie sich dafür ein, dass die Wahrheit siegt, andernfalls wird die Verantwortung für die Dinge, die passieren könnten, nicht allein bei mir liegen.
Er konnte seinen Blick nicht von dieser Seite losreißen. Ein Adrenalinstoß fuhr durch seinen Körper. Noch eine Drohung. Brüsk blätterte er um. Dann ging er weiter zurück und fand in den Akten des Jahres 1985 endlich den gesuchten Bericht. Er betraf in der Tat die Durchsuchung des Bauernhofs des Verdächtigen Giuseppe Russo aus Castellanza. Hektisch überflog er ihn. Der Sturz … Der Sohn des Eigentümers … Antonio … Antonio Russo, das war er. Ganz ohne Zweifel. Als wäre ein heller Scheinwerfer in seinem Kopf angeknipst worden.
Derselbe Antonio Russo, von dem Annunziato Spina gesprochen hatte. Er faltete jedes Dokument sorgfältig zusammen, klappte die Aktenordner zu und legte sie zurück.
Das Licht des frühen Morgens, das durch die Fenster drang, passte zu seiner triumphalen Stimmung.
Ich bin im Büro. Alles in Ordnung, Liebling.
Der Zettel lag mitten auf dem Küchentisch.
Petra las ihn gleich beim Hereinkommen.
Als sie aufgewacht war und Michele nicht an ihrer Seite gespürt hatte, hatte sie sich Sorgen gemacht. Die Nachricht beruhigte sie vorübergehend.
Dann aber griff sie doch zum Telefon und wählte die Handynummer ihres Mannes.
»Wie geht es dir?«, fragte sie, als sie seine Stimme hörte.
»Gut, warum?«
»Du bist weggegangen, ohne Bescheid zu sagen …«
»Du hast wie ein Engel geschlafen, Petra. Außerdem wusste ich, dass du heute Morgen nicht zur Arbeit musst. Du hast erst mittags einen Termin.«
»Stimmt, ein Arbeitsessen, aber du hättest mich ruhig wegen des Frühstücks wecken können.«
»Ich habe gefrühstückt …«
»Wo?«
»Hier, im Büro.«
»Einen Kaffee?«
»Ja.«
»Und das nennst du Frühstück?«
»Schon gut, du hast ja recht.«
»Wann bist du gegangen?«
»Um sechs.«
»Ist etwas passiert?« Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Antwort Nein lauten möge.
»Nein. Ich wollte nur eine Akte einsehen.«
»Über die Kalabresen?«
»Ja.«
»Gehen wir heute Abend ins Theater, falls ich nicht zu spät von der Arbeit komme?«
»Natürlich.«
»Ich küsse dich.«
»Ich dich auch.«
Als sie aufgelegt hatte, seufzte Petra und schüttelte den Kopf. Da lag eine Dienstreise in der Luft.
Tief in ihre Gedanken versunken, vergaß auch sie zu frühstücken.
Diese Untersuchung im Umfeld der ’Ndrangheta gefiel ihr überhaupt nicht. Sie hatte so ein Gefühl, als sei die Zeit zurückgedreht worden zu den verdammten Achtzigerjahren,als ihr Mann ständig mitten in der Nacht geweckt wurde und zum Tatort eines Mordes, einer Entführung oder eines Sprengstoffattentats eilen musste.
Nein, so etwas wollte sie nicht noch einmal durchmachen.
Sie beschloss, das Thema an diesem Abend zur Sprache zu bringen.
»Bitte setzen Sie sich!«
Capitano Foti und Detective Bernardi kamen herein und schlossen die Tür hinter sich. Sie waren zusammen mit Carracci mit der ersten Morgenmaschine aus Rom nach Reggio Calabria zurückgeflogen. Sie wurden bereits von Colonnello Trimarchi, Bill Hampton, Bob Holley und dem Leiter der Squadra Mobile, Bruni, erwartet.
Es war drei Uhr an einem regnerischen Nachmittag, als die Besprechung im Sitz der DIA begann.
»Und, was bringen Sie für Neuigkeiten aus der Hauptstadt mit?«, fragte Trimarchi.
»Ausschließlich gute«, sagte Foti und reichte ihm den Bericht über das Ermittlungsgespräch mit Annunziato Spina.
»Wir sollten bei den Hafenämtern
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