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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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Straßen jedoch zu dieser nächtlichen Stunde leer und verlassen waren, beschlossen sie, auf eine Verfolgung zu verzichten, um nicht entdeckt zu werden.
    Nach einer knappen halben Stunde erreichte der Mercedes einen abgelegenen Ort, eine Art offenen Platz aus festgestampfter Erde. Hier stellte der Fahrer den Motor ab. Talwärts waren die Lichter mehrerer Dörfer in der Ebenevon Gioia Tauro zu erkennen. Wenige Augenblicke später traten zwei Männer aus dem Wald und blieben in ein paar Metern Entfernung stehen. Antonio Russo öffnete den kleinen Koffer und fragte Diego nach der Telefonnummer seines Bruders Pedro. Der Kolumbianer nannte sie ihm prompt. Ihm war gesagt worden, dass er bloß zu gehorchen brauche, dann würde ihm nichts passieren. Russo durchlief die übliche Prozedur. Als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete, sagte er: »Pedro, ich gebe dir jetzt Diego, und du machst, was er sagt. Dann seht ihr euch bald wieder.« Das Gespräch dauerte nur kurz und wurde auf Spanisch geführt. Dann bekam Diego von dem neben ihm sitzenden Mann die Augen verbunden, und man forderte ihn auf auszusteigen.
    »Wohin bringt ihr mich?«, fragte er.
    Niemand antwortete ihm.
    »Was habt ihr mit mir vor?«, schrie er.
    Schweigen.
    Resigniert atmete er tief durch.
    Die beiden Männer aus dem Wald, die mit umgehängten Jagdgewehren bewaffnet waren, gingen nun auf ihn zu, machten ihrem Boss ein Zeichen und nahmen Diego in die Mitte. Sie stützten ihn an den Armen und verschwanden mit ihm im Unterholz. Dort benutzten sie einen Pfad, der sich steil den Berg hinaufwand, einen alten tratturu , der von den Hirten beim Viehtrieb benutzt wurde.
    Auf dem Gesicht ihres Bosses erschien ein schiefes Grinsen.

    »Da ist er wieder«, flüsterte der Carabiniere von der DIA , als er das Auto zurückkommen sah.
    Drei Personen stiegen aus. Der Insasse auf dem Rücksitzund der Fahrer gaben Antonio Russo die Hand, der daraufhin ins Haus ging. Die beiden anderen bestiegen ein Motorrad und fuhren davon.
    Der Boss verließ das Haus in dieser Nacht nicht mehr.
    Die Carabinieri notierten jede Bewegung: Insgesamt war der Wagen fast anderthalb Stunden vom Gutshof weg gewesen.

    Er war fix und fertig. Am Ende seiner Kräfte. Als wäre er einen ganzen Tag gewandert, ohne Rast zu machen.
    Dabei war er nur ein paar Stunden gegangen, allerdings durch unwegsames Gelände voller Senken, Gesteinsbrocken, bergauf und bergab und ohne das Geringste sehen zu können, aber wenigstens hörte er die Geräusche der Natur: das Rufen der Nachtvögel, das Zirpen der Zikaden, den Gesang der Grillen … Gestützt von seinen Bewachern, war er, ohne es zu wissen, fast eine Stunde lang im Kreis herum gelaufen und immer wieder an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Eine bewährte Methode, um Entführte die Orientierung verlieren und sie glauben zu lassen, eine viel längere Strecke zurückgelegt zu haben. Dann, nach einem letzten steilen Anstieg, gefolgt von einem kurzen Weg bergab, hatten sie ihr Ziel erreicht.
    »Bück dich«, befahl einer der beiden Männer. Es war das erste Mal, dass er den Mund aufmachte. Die Stimme kam Diego verstellt vor, aber das war vielleicht nur die Erschöpfung. Er gehorchte. Sie nahmen ihm die Augenbinde ab. Er erblickte zwei Gestalten mit Kapuzen über den Köpfen. Dann sah er sich um und erkannte, dass er in einer ArtBlockhütte war, eher ein Verschlag, grob gezimmert aus Baumstämmen. Als Dach diente ein Stück Wellblech. Die Behausung maß etwa zwei mal zwei Meter und war nur anderthalb Meter hoch. An zwei Seiten hing eine dunkle Plane herab, von der Sorte, wie sie zur Abdeckung von Lastwagen verwendet wurde.
    Eine Gänsehaut überlief ihn.
    »Setz dich auf die Bank da«, forderte ihn der erste Mann auf und zeigte auf eine Holzpritsche an der linken Wand, neben der eine Eisenkette lag.
    Diego tat wie geheißen.
    »Gut so. Und jetzt nicht bewegen.« Er legte ihm die Kette um die Fußknöchel, brachte ein Schloss an, wickelte sie ihm einmal um den Hals und befestigte sie mit einem weiteren Vorhängeschloss an einem der Stämme.
    »Das hier ist, wenn du aufs Klo musst«, sagte der zweite Bewacher, der zwischendurch weggegangen war, und knallte ihm einen Blecheimer hin. »Ich komme zwischendurch mal vorbei und leer ihn aus. Und hier ist Trinkwasser.« Er stellte den Fünf-Liter-Kanister in seiner anderen Hand ab.
    Diego musterte beides mit Abscheu.
    Auch diese zweite Stimme kam ihm verstellt vor. Verstohlen betrachtete er die Männer genauer.

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