Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
litt jedoch von Kindheit an unter häufigen, schlimmen Migräneanfällen. Er hatte schon Spezialisten in ganz Italien abgeklappert und sich mit den modernsten Geräten untersuchen lassen, aber nichts hatte geholfen.
Es war 8.10 Uhr am Morgen.
New York
John Reynolds saß morgens um halb neun in seinem Büro und sah ziemlich übernächtigt aus. Tatsächlich hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Seine Gedanken waren ständig um den nächtlichen Einsatz seiner Teams gekreist. Als er um sieben endlich den erwarteten Anruf erhalten hatte, war er sofort aufgestanden und zum 17. Revier geeilt. Die Aktion war beendet. Seine Detectives hatten Mitglieder einer Brooklyn-Gang überprüft, die mehrfach vorbestraft waren, unter anderem wegen Autodiebstahls. Rusty Sheridan hatte ihm am Abend zuvor ihre Namen genannt.
»Einer von denen könnte was über den ausgebrannten Wagen wissen«, hatte der Freund wiederholt gesagt, während Reynolds seine Angaben in ein Notizbuch schrieb. Eine ganze Seite voll. »Sie haben auch gute Beziehungen zur organisierten Kriminalität italienischer Herkunft. Man erweist sich gegenseitig Gefallen, und inzwischen sind sie die gefährlichste Gang in diesem ganzen beschissenen Bezirk«, hatte er hinzugefügt, wobei er keinen Hehl daraus machte, dass er es längst leid war, in einer derartigen Umgebung zu leben. »Wenn ich die Schule nicht hätte, würde ich lieber heut als morgen von hier verschwinden.«
Der Lieutenant hatte sofort einen Polizeieinsatz angeordnet. Er wusste, dass auch die kleinste Spur das Geheimnis eines Labyrinths enthüllen konnte. Man brauchte nur ein gutes Gespür und Hartnäckigkeit.
»Wir haben ein paar Festgenommene«, teilte ihm Detective Steve Green mit, ein Kollege, der erst knapp über dreißig war. Green sah dem jungen Robert De Niro ähnlich, was er gern hörte. Er trug Jeans, die an mehreren Stellen zerrissen waren, und ein langärmeliges Hemd mit Blumenmuster, das die Pistole an seiner linken Seite verbarg, denn er war Linkshänder.
»Habt ihr alle aufgespürt, die auf der Liste standen?«
»Nein, Lieutenant. Ein paar haben wir nicht gefunden, nicht mal an den Orten, wo sie normalerweise verkehren.«
»Sucht trotzdem weiter, geht auch noch mal in die Wohnungen. Ich will sie alle hierhaben. Ohne Ausnahme«, befahl der Lieutenant. »Sonstige Resultate?«
»Bei einem zu Hause haben wir einiges an Diebesgut gefunden.«
»Welcher Art?«
»Mobiltelefone, Stereoanlagen, Videokameras, Laptops, deren rechtmäßigen Besitz er nicht nachweisen konnte. In Anbetracht seines Vorstrafenregisters kann man davon ausgehen, dass sie gestohlen sind.«
Der Lieutenant nickte.
»Außerdem haben wir eine Erkennungsmarke gefunden.«
»Was für eine Erkennungsmarke!?«
»Vom FBI .«
»Aha. Sonst noch was?«
»Sonst nichts.«
»Uniformen?«
»Nein. Nur die Marke, Lieutenant.«
»Was hat der Festgenommene dazu gesagt?«, drängte Reynolds.
»Er behauptet, sie gefunden zu haben.«
Reynolds zog eine Grimasse, als wollte er sagen: Da hält sich wohl jemand für oberschlau …
»Wem gehört diese Erkennungsmarke?«
»Wir sind noch dabei, das herauszufinden. Ein Team ist schon zum Hauptquartier an der Federal Plaza unterwegs.«
»Sehr gut, dann wissen wir hoffentlich bald mehr. Irgendwelche Schuhe mit eingeschnittener Sohle?«
»Nein. Aber er hat Schuhgröße 42, nicht 44.«
»Was hat er für Vorstrafen?«
»Ich habe mir seine Akte angeschaut. Ein schönes Register, von Diebstahl über Vandalismus und Landstreicherei, schon als Minderjähriger, bis hin zu Rauschgifthandel«, antwortete Detective Green.
Die typische Laufbahn eines Kleinkriminellen, der es zu etwas bringen wollte.
»Wie heißt er?«
»Harry Baker.«
Reynolds blätterte in seinem Notizbuch und las die Anmerkungen zum Namen Baker: »Er ist der Anführer«, stand dort, das Wort »Anführer« war unterstrichen. Daneben noch ein Zusatz: »brutal und gefährlich«.
»Ich will mit diesem Baker reden. Wo ist er jetzt?«
»Im Haftraum.«
»Lass ihn in ein Vernehmungszimmer bringen«, ordnete der Lieutenant an.
»Sofort?«
»Ja.«
Detective Green entfernte sich beinahe im Laufschritt.
Reynolds folgte ihm ein paar Minuten später.
Das Vernehmungszimmer war ein kahler Raum.
Außer einem Tisch und zwei Stühlen aus grauem Metall, die am Boden festgeschraubt waren, stand nichts darin. Die Wände waren weiß gestrichen, lediglich der untere Bereich war bis auf etwa einen Meter Höhe in Dunkelgrüngehalten.
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