Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
Außer den dunklen Kopfbedeckungen und dunkler Kleidung trugen sie kniehohe Gummistiefel. Beide waren klein, aber kräftig. Er streckte die Hand aus und zog Eimer und Kanister in die linke Ecke zu sich heran.
»Mir ist kalt«, sagte er.
»Du wirst dich mit der Decke da zufriedengeben müssen.«
Er hatte nicht bemerkt, dass in der anderen Ecke eine alteDecke lag. Er reckte sich danach und warf sie sich um die Schultern. »Kann ich eine Zigarette haben?«, bat er. Die zwei gingen wortlos hinaus. Nach ein paar Minuten kam der eine zurück. »Hier, nimm das«, sagte er und gab ihm einen Kanten altes Brot, eine Ecke Pecorino und eine halb volle Flasche Rotwein. »Der Schluck Rotwein ist zum Aufwärmen«, fügte er hinzu. Dann warf er ihm noch eine Windjacke hin. »Die kannst du als Kissen benutzen.« Diego antwortete nicht. Er fühlte sich leer. Er schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen.
Mühsam zwang er sich zur Ruhe. Panik würde ihm nicht helfen, das wusste er. Um sich Mut zu machen, sagte er sich, dass die Kapuzen über den Köpfen seiner Bewacher ein gutes Zeichen waren. Also haben sie nicht die Absicht, mich abzumurksen, und ’Ntoni ist zwar ein Scheißkerl, aber auch ein Ehrenmann. Als nach und nach die Vernunft die Oberhand über seine Gedanken gewann, kam wieder etwas Farbe in sein leichenblasses Gesicht.
Der Entführer blieb plötzlich am Eingang der Hütte stehen, sah Diego an und warf ihm mit einer schnellen Geste ein paar Zigaretten hin. »Die kannst du rauchen, aber mehr gibt’s nicht.«
»Danke. Wie soll ich die anzünden?«
»Damit.« Der Mann warf Streichhölzer hinterher und reichte ihm einen Stein. Dann ließ er die Plane herabfallen.
Mit zitternder Hand griff Diego nach einer Zigarette. Beinahe zärtlich strich er mehrmals mit dem Finger darüber. Er steckte sie in den Mund und riss ein Streichholz an dem Stein an. Nach dem ersten Zug musste er heftig husten. Der zweite trieb ihm die Tränen in die Augen und rief ein unangenehmes Gefühl von Zerschlagenheit und Schwindel in ihm hervor. Er warf die Zigarette weg und trat sie mit letzter Kraft auf dem Boden aus.
Dann rollte er sich auf der Holzpritsche zusammen.
»Er kommt raus. Demetrio, sieh mal!«
Der Beobachter von der DIA richtete das Teleobjektiv seiner Kamera auf das Haustor des Gutshofs. Antonio Russo war herausgetreten. Er stand nun davor und schaute sich um.
»Ja, er ist es, Ciccio. Er scheint nach etwas Ausschau zu halten. Aha, da kommt ein Auto … und ein Motorrad mit zwei Personen.«
Ihre Nikons begannen Fotos zu schießen, eins nach dem anderen, in schneller Abfolge. Auto und Motorrad parkten an einer Seite des Innenhofs. Drei Männer – der Fahrer des Wagens und die beiden Motorradfahrer – näherten sich dem Boss, gaben ihm die Hand und fingen sogleich eine Unterhaltung an.
»Mensch, Ciccio, wär das schön, wenn wir jetzt hören könnten, was die sagen … Diese verdammten Schweinehunde …«
»Ja, Demetrio, wer weiß, was wir alles verpassen!«
Die vier gingen inzwischen im Garten spazieren. In einer Reihe nebeneinander. Der Mann, der mit dem Auto gekommen war, ging rechts von Russo und schien ständig beipflichtend zu nicken. Die Nikons knipsten ununterbrochen weiter.
»Demetrio, die unterhalten sich die ganze Zeit im Freien, bei der Kälte!«
»Offensichtlich haben sie Angst, im Haus belauscht zu werden. Die sind immer misstrauisch. Das ändert sich nie.«
»Da hast du recht, das haben die sozusagen im Blut. He, guck mal, sie verabschieden sich.«
»Ja, ich seh’s … Aber jetzt steigen sie alle drei in das Auto.«
»Ich schätze, es ist ein BMW , und du?«
»Glaube ich auch, könnte aber genauso gut ein Mercedes sein … Jedenfalls eine viertürige Limousine, schwarz oder dunkelblau.«
»Dunkle Farbe, so viel steht fest. Weiß der Geier, wo die jetzt hinfahren.«
»Ciccio, sag den Kollegen Bescheid, ich rufe derweil den Capitano an. Vielleicht gelingt es ihnen, das Kennzeichen zu notieren.«
Der Wagen rollte unterdessen auf das Hoftor zu, während Antonio Russo schon wieder im Haus war und die große Doppeltür hinter sich geschlossen hatte. Ciccio verständigte die Kollegen in dem zivilen Geländewagen über Funk. Dann schrieb er alles, was sie beobachtet hatten, auf einen Notizblock.
»Willst du einen Kaffee, Demetrio?«
»Gern, Ciccio, den kann ich echt gut gebrauchen – bei den verdammten Kopfschmerzen. Die werde ich einfach nicht los.«
Demetrio war noch keine dreißig,
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