Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
spucken Sie’s aus, nehmen Sie kein Blatt vor den Mund …«
Bei so viel selbstgefälliger Dreistigkeit platzte Reynolds der Kragen.
»Geh zum Teufel!«, schrie er Baker ins Gesicht, ging hinaus und schlug die Tür zu, kurz darauf gefolgt von Detective Green.
In seinem Büro hämmerte der Lieutenant mit der Faust auf den Schreibtisch und murmelte: »Verdammter Dreckskerl!« Dann fiel sein Blick auf eine Notiz, die ihm jemand gut sichtbar hingelegt hatte.
»Die Erkennungsmarke gehört dem Special Agent des FBI M. K. Der Agent hat den Diebstahl am 10. Oktober gemeldet. Sie wurde zusammen mit einem Ausweis und einem zur Dienstkleidung gehörenden Blouson aus Synthetikfaser von Unbekannten aus seiner Wohnung entwendet.«
Kopfschüttelnd legte er die Notiz ab. Denis! Der Junge hatte zwar von einem Polizisten und nicht von einem FBI -Agent gesprochen, aber sie hätten seine Zeugenaussage auf jeden Fall ernster nehmen sollen.
»Green, ich will eine Auflistung aller Diebstähle an Polizisten im letzten halben Jahr. So schnell wie möglich«, verlangte er.
Vielleicht war das ein neues wichtiges Puzzleteil. Zum ersten Mal in diesem Fall hatte er das Gefühl, auf eine konkrete Spur gestoßen zu sein.
Am Nachmittag ging Alfredo Prestipino, nachdem er bei seiner Schwiegermutter mit der ganzen Familie zu Mittag gegessen hatte, allein weg und spazierte langsam in Richtung Friedhof. Das letzte Stück des Weges war von einer Zypressenallee gesäumt. Zwischen den Bäumen sah man vereinzelte Häuser. Das Friedhofstor war geschlossen, gab aber sofort nach, als er dagegendrückte. Bald stand er voreiner Kapelle unter einer großen, vom ständigen Wind zerzausten Zypresse. Mit einer Hand hob er seinen Hut auf, der ihm vom Kopf geweht worden war, mit der anderen bekreuzigte er sich. Dann ging er auf einem schmalen Kiesweg bis zum Grab seines Schwagers. Die Blumen darauf waren noch ganz frisch und verströmten einen intensiven Duft. Er sah sich um. Er war allein. Das Gesicht zum Himmel gewandt, sprach er ein Gebet. Derweil schlug die Kirchturmuhr der Hauptkirche halb fünf. Er ging zurück zum Ausgang. Kaum hatte er das Tor durchschritten, hörte er eine Stimme hinter sich.
»Prestipino?«
Er blieb stehen und drehte sich verwirrt um, weil man ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte.
»Ja?«, sagte er, während ihn ein Schauder überlief.
»Es gibt jemanden, der mit dir sprechen will.«
»Wer?«, fragte er, nichts Gutes ahnend.
»Du musst mit uns kommen. Er wartet auf dich. Es gibt kein Problem, keine Sorge«, versuchte der untersetzte junge Mann mit dem tiefschwarzen Haar ihn zu beruhigen. Neben ihm schüttelte ein zweiter junger Mann – größer, Ringerfigur, ebenfalls schwarzhaarig – den Kopf, um diese Aussage zu bestätigen. Beide standen in betont herablassender Haltung da, die Hände in den Taschen ihrer gesteppten Sportjacken vergraben. Prestipino musterte erst den einen, dann den anderen.
Sein Blick richtete sich auf ihre in den Taschen verborgenen Hände. Es war klar, dass sie logen. Sie führten nichts Gutes im Schilde, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu fügen.
»Geh zu dem Auto dort«, forderte ihn der Kleinere auf und zeigte auf einen Wagen, der ein paar hundert Meter weitervorn am Straßenrand stand. Prestipino steuerte darauf zu. Dicht hinter ihm folgten die beiden jungen Männer. Mit jedem Schritt wuchs seine Angst. Am Auto angekommen, bemerkte er, dass es ein viertüriger BMW war, dessen Motor bereits lief. Aus dem Auspuff kam eine dünne weiße Abgaswolke.
»Steig ein«, befahl der Untersetzte und hielt ihm die hintere Tür auf. Fenster und Heckscheibe hatten getönte Scheiben. Alfredo Prestipino stellte keine Fragen. Im Wagen saß nur der Fahrer, der den anderen beiden kaum Zeit ließ einzusteigen, ehe er wie eine Rakete davonschoss. Prestipino rührte sich nicht, verschränkte nur die Arme und lehnte den Kopf an die Tür.
»Salvo, ich möchte bloß wissen, wohin die ihn bringen«, sagte der Polizist von der Squadra Mobile mehr zu sich selbst als zu seinem Partner.
»Wir müssen die Kollegen verständigen, Guido«, erwiderte der andere und griff nach dem Funkgerät. Sie hatten Alfredo Prestipino seit dem Morgen beschattet und standen nun getarnt zwischen einigen Bergamottbäumen in der Nähe des Friedhofs. Von dort hatten sie die ganze Szene verfolgt.
»Salerno Milano 40 an 41, bitte kommen.«
»Wir hören.«
»Schwarzer BMW , viertürig, Kennzeichen AD 315…, Zielperson an
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