Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
ist damit gemeint?«, fragte Bruni und sah Carracci an. »Die Schiffe brauchen von Turbo aus zwölf bis fünfzehn Tage. Das haben meine Mitarbeiter überprüft. Das ist die mittlere Dauer der Fahrt. Und dann ›Schöne Grüße an Diego‹. Wer ist dieser Diego?«
»Aus dem Organigramm der ’Ndrina von Russo ist uns kein Diego bekannt«, warf Foti ein. »Der Name kommt ja auch nicht besonders häufig vor bei uns.«
»Es muss um Drogen gehen, ganz sicher«, unterstrich Carracci. »Wenn wir Geduld haben und abwarten, können wir Antonio Russo endlich festnageln. Wir haben alle Zeit, die nötig ist, um Nachforschungen anzustellen und die Einsätze vorzubereiten.«
»Das ist richtig, Dottor Carracci«, sagte Trimarchi, der sich zum ersten Mal ins Gespräch mischte, doch ihm fiel die Bemerkung von Annunziato Spina wieder ein, und er dachte bei sich: vorausgesetzt, er wird nicht von irgendeinem Spitzel vorgewarnt.
»Und wie gehen wir in der Sache Alfredo Prestipino vor?«, brachte er ein neues Thema auf den Tisch.
»Wir können nicht zwei Wochen lang warten«, sagte Foti, der die Gedanken seines Vorgesetzten erriet.
»Was gibt es Neues über Prestipino?«, wollte Carracci wissen.
»Er hat den Gutshof noch nicht verlassen«, antwortete Foti.
»Und die Telefongespräche seiner Frau?«, fragte Trimarchi.
»Nichts«, berichtete Oliva. »Keine direkte Erwähnung. Noch nicht einmal gegenüber der Mutter.« Er blickte auf die Mitschriften, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
»Sonst noch etwas?«, bohrte Trimarchi hartnäckig nach.
»Aus einem Gespräch mit der Mutter wissen wir lediglich, dass Angela sich mit Don Ciccio Puglisi getroffen hat. Der Boss, sagt sie, hätte behauptet, nichts über Prestipinos Verbleib zu wissen, ihr aber versprochen, sich unverzüglich darum zu kümmern. Er hätte ihr sogar Vorwürfe gemacht, weil sie nicht gleich zu ihm gekommen sei. Das ist alles.«
Eine Weile sagte niemand etwas.
Schließlich ergriff der Colonnello wieder das Wort und votierte dafür, baldmöglichst und mit großem Aufgebot den Gutshof zu stürmen.
»Und die Drogenlieferung? Die geht uns dann durch die Lappen«, wandte Carracci ein.
»Was wollen Sie damit sagen, Dottor Carracci? Dass ein Menschenleben weniger wert ist als eine Ladung Rauschgift?«, platzte Trimarchi heraus, dem zunehmend auf die Nerven ging, dass Carracci ihnen dauernd Knüppel zwischen die Beine zu werfen versuchte.
»Nein, aber … Ich meine ja nur …«, versuchte Carracci sich stammelnd zu verteidigen.
Der Colonnello unterbrach ihn mit einer Geste. Die anderen starrten den Leiter des SCO an.
Auch Trimarchi bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick und hätte ihn am liebsten zum Teufel gejagt. Er fand seine Beiträge, die so häufig fehl am Platze waren, vollkommen inakzeptabel.
»Die Drogen können wir immer noch bei ihrer Ankunft sicherstellen – falls der Zielhafen tatsächlich in Italien liegt. Aber jetzt geht es meiner Ansicht nach vor allem darum herauszufinden, was aus Prestipino geworden ist«, argumentierte Trimarchi, wobei alle Augen sich wieder auf ihn richteten.
Die Runde verfiel in Schweigen, während jeder abwog, ob ein sofortiges Eingreifen auf dem Gutshof angeraten war oder nicht.
Erneut sprach als Erster der Colonnello, der zunehmend den Eindruck vermittelte, der eigentliche Leiter der Task Force zu sein.
»Ich halte es für angebracht, diese Angelegenheit demStaatsanwalt vorzutragen, Dottor Francesco Romeo. Seine Meinung könnte uns die Last der Entscheidung abnehmen«, regte er an.
Alle nickten zustimmend. Sie wussten, dass die Einwilligung des Oberstaatsanwalts sie sowohl auf beruflicher als auch auf disziplinarischer Ebene schützen würde.
»Ich werde selbst mit dem Staatsanwalt sprechen und ihn gleich aufsuchen«, schloss Trimarchi die Sitzung. »Möchten Sie mitkommen, Dottor Carracci?«
»Nein, ich warte lieber hier auf Sie«, erwiderte der Leiter des SCO und hielt den Blick zu Boden gesenkt wie ein Kind, das etwas angestellt hat.
Die Spur »Antonio Russo« wurde allmählich immer heißer.
New York
»Ja, es ist meinetwegen passiert, keine Frage, ich bin schuld daran«, warf sich Lieutenant Reynolds in diesen Stunden wieder und wieder vor.
Mittlerweile saß er im Büro von Dick Moore an der Federal Plaza.
Nachdem er sich in Brooklyn von Rusty Sheridan verabschiedet hatte, hatte er das Bedürfnis verspürt, mit dem Direktor des FBI zu sprechen. Er fühlte sich verantwortlich für das, was seinem alten
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