Bluttat
-, dünn und groß, hatte blonde Haare und weit auseinanderstehende, blassblaue Augen. Ihr maßgeschneidertes schwarzes Kostüm, ihre Krokodilledertasche und ihre großen Perlenohrringe waren vom Gehalt einer Pflichtverteidigerin nicht zu bezahlen. Vielleicht war der Klunker an ihrem Ringfinger die Erklärung. Vielleicht war das eine sexistische Annahme, und sie hatte kräftig an der Börse abgesahnt.
Sie setzte sich und drehte den Ring, sodass der Diamant nach innen zeigte. Setzte eine winzig kleine vergoldete Lesebrille auf und sagte: »Nunja, da wären wir.« Die Wörter überschlugen sich fast. Sie hatte es sehr eilig mit ihren Sätzen.
Sie hatten sich beide einzeln mit mir treffen wollen. Ich hatte ihnen gesagt, wir würden gemeinsam beginnen und abwarten, wie es liefe.
Einzelgespräche waren nicht nötig. Sie brachten jeweils ihre eigenen Argumente vor, aber ihre Ziele waren identisch: die Jugend und kriminelle Unerfahrenheit ihrer Mandanten zu betonen, hervorzuheben, unter welch erbärmlichen Bedingungen sie aufgewachsen waren, und mir mitzuteilen, dass alles andere als ein Prozess vor dem Jugendgericht grausam und unmenschlich wäre.
Als die Stunde sich dem Ende zuneigte, arbeiteten sie als Team. Aus meinen Gesprächen mit Troy hatte ich den Eindruck gewonnen, dass Weider alles Rand in die Schuhe schieben wollte, aber es war nicht meine Sache, das zur Sprache zu bringen.
Als sie in Schwung kam, redete sie noch schneller und schien Montez zu dominieren. Sie schloss mit einem langen Vortrag über die Übel von Telespielen und sozialem Wohnungsbau, klappte ihr Filofax zu, nahm die Brille ab und nahm mich mit ihren Augen ins Kreuzverhör.
»Was wird in Ihrem Bericht stehen?« Ein Feuerstoß aus einem Maschinengewehr.
»Ich hab ihn noch nicht geschrieben.«
»Sie müssen doch irgendwelche Schlussfolgerungen gezogen haben.«
»Mein Bericht geht an Richter Laskin. Er wird Ihnen Kopien zukommen lassen.«
»Dann soll es also auf diese Weise laufen«, sagte sie.
»Über Richter Laskin, so muss es nun mal laufen.«
Sie sammelte ihre Papiere ein und fummelte an ihrem Ring herum. »Denken Sie mal darüber nach, Dr. Delaware: Psychologie ist eine verschwommene, weiche Wissenschaft, und man kann Psychologen im Zeugenstand ziemlich alt aussehen lassen.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Mehr als alt«, sagte sie. »Geradezu lächerlich.«
»Ich bin sicher, dass manche von ihnen das verdient haben.«
Sie setzte sich aufrechter hin, starrte mich herausfordernd an, um mich zu nötigen, den Blick abzuwenden, und sah empört aus, als das nicht klappte. »Dr. Delaware, Sie können nicht ernsthaft befürworten, dass diese Jungen vor Gericht wie Volljährige behandelt werden.«
»Es wird nicht von mir abhängen -«
»Richter Laskin verlässt sich auf Ihre Sachkenntnis, also wird es in der Praxis doch von Ihnen abhängen, Dr. Delaware.«
»Nach allem, was ich gesehen habe, ist Richter Laskin ein ziemlich unabhängiger Mann.«
Montez sagte: »Wir wollen nur elementare Gerechtigkeit. Dr. Delaware. Geben wir den Kindern doch eine Chance zur Resozialisierung.«
Weider sagte: »Dr. Delaware, wir werden unsere eigenen Experten hinzuziehen.«
Ich sagte: »Mr. Montez hat bereits Professor Davidson aus Stanford engagiert.«
Weider drehte sich um und fasste ihren Kollegen ins Auge. Er zwirbelte an einem Schnurrbartende herum und nickte. »Es dauerte ein bisschen, bis man sein Honorar genehmigt hat, aber er ist dabei.«
Weider bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. »Wie lustig, Lauritz. Ich hab Davidson letzte Woche angerufen. Seine Sekretärin teilte mir mit, er wäre bereits vergeben.«
»Wenn Sie ihn für Ihren Jungen haben wollen, können wir das vielleicht arrangieren«, sagte Montez.
»Nicht nötig«, erwiderte Weider munter. »Ich hab LaMaria von der Cal bekommen.«
»Hat einer von Ihnen beiden eine Theorie«, fragte ich, »aus welchem Grund Ihre Mandanten Kristal Malley ermordet haben?«
Sie wirbelten zu mir herum.
Weider fragte: »Doktor, was genau wollen Sie wissen?«
»Was Ihrer Ansicht nach das Motiv Ihrer Mandanten war.«
»Ist Motivation nicht Ihre Sache, Doktor?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass das für Sie ebenfalls eine Rolle spielt.«
Sie stand auf, schüttelte den Kopf und starrte auf mich herab. »Sie glauben wirklich, dass ich hier vor Ihnen meine Strategie ausbreite?«
»An Strategie bin ich nicht interessiert«, sagte ich. »Nur an Einblicken.«
»Doktor, ich habe keine Einblicke.
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