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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mag Sie.«
    »Hat dir das jemand gesagt?«
    »Nee.«
    Die meisten Leute geben, wenn sie lügen, ein verräterisches Zeichen von sich - eine Veränderung ihrer Haltung, winzige Augenbewegungen, im Tonfall. Dieser Junge konnte so gelassen die Unwahrheit sagen, dass der Lügendetektor wahrscheinlich keine Chance gegen ihn gehabt hätte.
    »Troy, hast du jemals Angst?«
    »Vor was?«
    »Vor irgendwas.«
    Er dachte nach. »Ich habe Angst davor, schlimme Dinge zu tun.«
    »Warum?«
    »Ich will nicht böse sein.«
    »Bist du jemals böse?«
    »Manchmal. Wie jeder.«
    »Jeder ist manchmal böse.«
    »Niemand ist vollkommen«, sagte er. »Außer Gott.«
    »Bist du religiös?«
    »Drew und Cherish sagen ja, Sir.«
    »Wer sind Drew und Cherish?«
    »Geistliche.«
    »Besuchen sie dich?«
    »Jep. Sir.«
    »Findest du das sinnvoll?«
    »Ja, Sir. Sehr sinnvoll.«
    »Wie helfen Drew und Cherish dir?«
    »Sie sagen mir, dass es wieder okay wird mit mir. Sagen mir, dass jeder Fehler macht.«
    »Also«, sagte ich, »du glaubst, dass du manchmal böse bist. Indem du was tust?«
    »Indem ich nicht zur Schule gehe. Keine Bücher lese.« Er stand auf und nahm ein Buch von dem unteren Bord. Schwarzer Pappeinband. Holy Bible in grüner Schrift.
    »Haben Drew und Cherish dir das gegeben?«
    »Ja, Sir. Und ich lese es.«
    »Was genau liest du?«
    Eine sekundenlange Pause. »Der zweite Tag.«
    »Der Schöpfungsgeschichte?«
    »Ja, Sir. Gott machte den Himmel.«
    »Was bedeutet der Himmel für dich?«
    »Einen guten Ort.«
    »Was ist gut daran?«
    »Man ist reich und hat coole Sachen.«
    »Was für coole Sachen?«
    »Alles, was man will.«
    »Wer kommt in den Himmel?«
    »Gute Menschen.«
    »Menschen, die keine wirklich schlimmen Dinge tun.«
    »Niemand ist vollkommen«, erwiderte er, und seine Stimme wurde angespannt.
    »Das steht fest«, sagte ich.
    »Ich komme in den Himmel«, erklärte er.
    »Nachdem du Zeit verloren hast.«
    »Ja, Sir.«
    »Du hast vorhin davon geredet, dass du reich wirst. Wie hast du vor, das zu erreichen?«, fragte ich.
    Das süffisante Grinsen kam wieder zum Vorschein. Diesmal verweilte es auf seinem Gesicht, und seine Augen bohrten sich in meine, und seine zierlichen kleinen Hände ballten sich zu knochigen kleinen Fäusten.
    »Weil ich klug bin«, sagte er. »Kann ich jetzt schlafen? Ich bin nämlich müde. Sir. «
    Danach kam nur noch wenig bei den Sitzungen heraus, da er behauptete, erschöpft zu sein oder sich »krank« zu fühlen. Meine Versuche, ihm bestimmte Symptome zu entlocken, blieben erfolglos. Eine Untersuchung durch einen Gefängnisarzt hatte nichts ergeben. Beim letzten Mal, als ich ihn besuchte, las er in der Bibel und ignorierte mich, während ich mich hinsetzte.
    »Interessant?«, fragte ich.
    »Jep.«
    »Was hast du vor?«
    Er legte das Buch mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten auf die Pritsche und starrte an mir vorbei.
    »Troy?«
    »Ich fühle mich krank.«
    »Wo?«
    »Überall.«
    »Dr. Bronsky hat dich untersucht und gesagt, es ginge dir prima.«
    »Ich bin krank.«
    »Dies ist vielleicht das letzte Mal, dass ich zu dir komme«, erklärte ich. »Gibt es noch irgendetwas, das du mir sagen willst?«
    »Was werden Sie dem Richter sagen?«
    »Ich berichte ihm nur, worüber wir geredet haben.«
    Er lächelte.
    »Bist du darüber glücklich?«
    »Sie sind ein guter Mensch, Sir. Sie helfen den Leuten gerne.«
    Ich stand auf und nahm die Bibel in die Hand. Kleine graue Flecken markierten die Stelle, die er gelesen hatte. Erstes Buch Mose, Kapitel vier. Kain und Abel.
    »Tolle Geschichte«, sagte ich.
    »Ja, Sir.«
    »Was hältst du davon?«
    »Wovon?«
    »Dass Kain seinen Bruder umbringt und verflucht wird.«
    »Er hat es verdient.«
    »Kain?«
    »Ja, Sir.«
    »Warum?«
    »Er hat eine Sünde begangen.«
    »Die Sünde Mord.«
    »Genau«, sagte er, nahm mir die Bibel ab und schloss sie sanft. »Wie Rand. Er kommt in die Hölle.«

8
    Ich traf mich mit beiden Pflichtverteidigern in einem Besprechungsraum des Gefängnisses. Lauritz Montez war bereits dort, als ich eintraf, ein zierlicher Mann von etwa dreißig Jahren, der seine dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Ein extravaganter, gewichster Schnurrbart stellte einen krausen Kinnbart in den Schatten. Er trug einen altmodischen dreiteiligen Anzug aus grauem Tweed und eine dünne blaue Fliege, die große Ähnlichkeit mit einem Schnürsenkel hatte.
    Sydney Weider rauschte ein paar Sekunden nach mir herein. Sie war älter - Anfang vierzig

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