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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Wann?«
    »Ich bin in einer Stunde hier fertig. Wo liegt Ihr Büro?«
    Als er bei mir zu Hause eintraf, trug er ein kamelhaarfarbenes Jackett, eine braune Hose, ein weißes Hemd und eine rote Krawatte. Die Krawatte war schlaff, der Knoten durch den offenen Hemdkragen heruntergezogen.
    Wir hatten miteinander telefoniert, uns aber nie persönlich kennen gelernt. Ich hatte sein Foto in Zeitungsartikeln über den Malley-Fall gesehen - Mitte fünfzig, graue Haare, geschnitten in der Fasson eines Managers, eckiges Gesicht, Brille mit Stahlfassung, wachsame Augen eines Anklagevertreters - und mir das Bild eines großen, imposanten Mannes gemacht.
    Er stellte sich als klein heraus - unter eins siebzig, schwerer, weicher und älter als auf den Bildern, die Haare weiß, die Backen beugten sich dem Gesetz der Schwerkraft. Sein Jackett war gut geschnitten, aber abgetragen. Seine Schuhe mussten geputzt werden, und die Tränensäcke unter seinen Augen waren bläulich.
    »Hübsches Haus«, sagte er und ließ sich auf der Kante des Wohnzimmersessels nieder, den ich ihm angeboten hatte. »Muss nett sein, zu Hause arbeiten zu können.«
    »Es hat seine Vorteile. Möchten Sie etwas trinken?«
    Er dachte darüber nach. »Warum nicht? Bier, falls Sie welches haben.«
    Ich ging in die Küche und holte zwei Flaschen Grolsch. Als ich zurückkam, war seine Haltung nicht weniger angespannt. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah aus wie jemand, den man genötigt hatte, sich einer Psychotherapie zu unterziehen.
    Ich hebelte die Kronkorken von den Flaschen und gab ihm eine. Er nahm sie, trank aber nicht.
    »Troy Turner ist tot«, sagte er.
    »Oh, nein.«
    »Es ist vor zwei Wochen passiert, aber bei der C.Y.A. hat niemand daran gedacht, mich zu benachrichtigen. Ich hab’s vom Sozialdienst erfahren, weil sie nach seiner Mutter suchten. Man hat ihn gefunden, wie er an einem Sandsackständer in einem Geräteraum der Turnhalle hing. Er sollte Sportgeräte wegräumen - das war die Arbeit, für die sie ihn eingeteilt hatten. Er war als zu gefährlich eingeschätzt worden, um mit Messern in der Küche oder mit Gartengeräten im Gemüsegarten zu arbeiten.«
    »War es Selbstmord?«
    »Das dachten sie zunächst, bis sie die Blutlache auf dem Boden sahen, ihn umdrehten und feststellten, dass man ihm die Kehle durchgeschnitten hatte.«
    Ich war immer schon zu gut darin, Bilder in meinem Kopf heraufzubeschwören. Die Brutalität dieser Szene - eine kleine, blasse Leiche an einem dunklen, herzlosen Ort baumelnd - würde mich in meinen Träumen heimsuchen.
    »Weiß man, wer es getan hat?«, fragte ich.
    »Man nimmt an, es war eine Bandengeschichte«, sagte Laskin. »Er ist dort, wie lange, einen Monat gewesen? Hat sofort versucht, sich den Dirty White Boys anzuschließen - eine Art Jugendgruppe der Aryan B. Er war noch im Aufnahmestadium, und ein Teil seiner Prüfung bestand darin, einen Latinojungen zu überfallen. Das hatte er zehn Tage zuvor durchgezogen: Er hat einen der kleineren Vatos Locos in der Dusche überrascht, ihm mit einer schweren Bürste auf den Kopf geschlagen und ihn dann getreten, als er am Boden lag. Der Junge erlitt eine Gehirnerschütterung und eine Rippenprellung und wurde anschließend in ein anderes Heim verlegt. Troys Bestrafung war eine Woche Einzelhaft. Er war seit drei Tagen wieder in seinem normalen Schlafraum. Am Tag vor seinem Tod hat man ihn wieder zum Turnhallendienst eingeteilt.«
    »Also wusste jeder, wo er sich zu einer bestimmten Zeit aufhalten würde.«
    Laskin nickte. »Das Blut war noch nass, und die Waffe war am Tatort zurückgelassen worden - ein selbst gemachter Dolch aus einer Zahnbürste und einem Stück Buttermesser, dessen Schneide auf Rasiermesserschärfe geschliffen war. Der Täter hat sich die Zeit genommen, seine Fußabdrücke aufzuwischen.«
    »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Ein Aufseher.« Er trank sein Bier aus und stellte die Flasche auf den Boden.
    »Möchten Sie noch eins?«
    »Ja, aber nein.« Er stellte die Beine nebeneinander und streckte eine Hand aus, als wollte er etwas haben. »Ich dachte, ich bewiese Mitgefühl, indem ich ihn nach Chaderjian schickte. Hielt es für geradezu salomonisch.«
    »Das dachte ich auch.«
    »Waren Sie mit der Entscheidung einverstanden?«
    »Angesichts der Alternativen«, sagte ich, »hielt ich es für die beste Entscheidung.«
    »Sie haben nie etwas gesagt.«
    »Sie haben nie gefragt.«
    »Die Malleys waren nicht glücklich mit der Entscheidung. Mister M.

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