Bluttat
dass eine höhere Instanz ihre Haftstrafen reduziert und sie in Gefängnisse mit niedrigerer Sicherheitsstufe verlegen lässt. Was bedeutet, dass sie schließlich weniger Zeit einsitzen, als wenn sie der C.Y.A. überstellt werden. Ich muss an die Familie des Opfers denken. Wie Sie sagten, wir können nur darauf hoffen, dass wir der Gerechtigkeit so nahe kommen wie möglich, und Gott weiß, dass wir nie einen befriedigenden Abschluss erreichen - was immer das auch heißen soll. Aber es muss eine Lösung geben, die am wenigsten Schaden anrichtet.«
»Ich habe die Familie nicht in den Medien gesehen.«
»Sie haben sich bedeckt gehalten, aber der Vater hat ein paarmal den Bezirksstaatsanwalt angerufen und Gerechtigkeit gefordert. Niemand kann ihm geben, was er wirklich will - sein Kind zurück. Und zwei andere Kinder haben ihr eigenes Leben ruiniert. Es ist für alle Beteiligten eine scheußliche Situation.«
»Mehr als scheußlich.«
»Alex, sie sind so verdammt jung . Was zum Teufel hat sie so schlecht gemacht?«
»Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen«, erwiderte ich. »Die Vorboten sind alle da - ein schlechtes Milieu, vielleicht schlechte Gene. Aber die meisten Jungen, die den gleichen Faktoren ausgesetzt sind, ermorden keine Kleinkinder.«
»Nein, das tun sie nicht«, sagte er. »Okay, schicken Sie mir, was immer Sie Ihrer Ansicht nach dem Papier anvertrauen können. Ich schicke Ihren Erstattungsbeleg auf die Reise durch die Instanzen.«
10
Am Ende kam die Lösung auf die Weise, wie sie es normalerweise tut, sobald ein Fall nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht: als Produkt von Verhandlungen in Hinterzimmern und Suche nach dem geringsten Übel.
Fünf Monate nach ihrer Verhaftung bekannten sich beide Jungen in einer, wie die Zeitungen es formulierten, »überraschenden Wendung« schuldig und wurden in die Obhut der California Youth Authority überstellt, bis sie fünfundzwanzig Jahre alt wären oder bewiesen werden könnte, dass sie erfolgreich resozialisiert waren.
Kein Prozess, kein Medien-Trara. Ich musste nicht als Sachverständiger im Zeugenstand auftreten, und mein Scheck vom Gericht traf rechtzeitig ein.
Ich redete mit niemandem außer Milo darüber und tat so, als schliefe ich gut.
Troy Turner wurde in das N.A. Chaderjian Camp in Stockton geschickt, und Rand Duchay landete in der Herman G. Stark Youth Correctional Facility in Chino. Die C.Y.A. versprach, beiden Jungen eine Therapie und Rand eine spezielle Ausbildung zukommen zu lassen.
An dem Tag, als die Vereinbarung publik gemacht wurde, erwischte ein Fernsehteam Kristal Malleys Eltern beim Verlassen des Gerichtssaals und fragte sie nach ihrer Meinung dazu.
Lara Malley, eine kleine, bleiche Brünette, schluchzte. Ihr Mann Barnett, ein großer, grobknochiger Bursche um die dreißig, starrte wütend in die Kamera und sagte: »Kein Kommentar.«
Der Kameramann hielt voll auf sein Gesicht, weil Wut mehr Spaß für die Kamera bedeutete als Verzweiflung. Barnett hatte dünne, rotblonde Haare, lange Koteletten, ein scharf geschnittenes Gesicht mit vorstehenden Wangenknochen. Seine Augen waren trocken und unbeweglich wie die eines Scharfschützen.
»Ist Ihrer Ansicht nach, Sir«, insistierte der Reporter, »das Alter der Beklagten ein Grund dafür, dass man diese Entscheidung als angemessene Lösung für einen Abschluss bezeichnen könnte?«
Barnett Malleys Kiefermuskeln traten hervor, und er riss die Hand hoch, und der Tonmann fing polternde Geräusche ein. Der Reporter zog sich zurück; Malley rührte sich nicht vom Fleck. Die Kamera zoomte auf die Faust, die mitten in der Luft erstarrt war.
Lara Malley wimmerte. Barnett starrte noch eine Sekunde in die Kamera, packte seine Frau am Arm und zog sie aus dem Bild.
Tom Laskin rief mich sechs Wochen später an. Es war kurz nach zwölf Uhr mittags, und ich hatte eine Sitzung mit einem achtjährigen Jungen hinter mir, der sich sein Gesicht beim Spielen mit Swimmingpool-Chemikalien verätzt hatte. Seine Eltern hatten den Hersteller auf Schadenersatz verklagt, und ein Quacksalber, der sich als Spezialist für »Umweltmedizin« verstand, hatte ausgesagt, dass ihr Sohn Krebs bekäme, wenn er erwachsen sei. Das hatte der Junge zufällig mitbekommen, und mein Job war es nun, die traumatischen Folgen dieser Information auszuräumen.
»Hallo, Tom.«
»Könnten wir uns treffen, Alex?«
»Worum geht’s?«
»Das würde ich lieber persönlich besprechen. Ich komme in Ihr Büro.«
»Klar.
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