Bluttat
sagte Cherish. »Sie ist ein tolles Mädchen, aber sie braucht eine Menge Struktur.«
»Aufmerksamkeitsstörung?«, sagte ich.
»Ist das so offensichtlich, ja?« Jetzt starrte sie mich mit großen blauen Augen an. »Ich weiß, wer Sie sind. Der Psychologe, der Rand besucht hat.«
»Alex Delaware.« Ich hielt ihr die Hand hin.
Sie gab mir ihre bereitwillig. »Wir haben uns vor dem Gefängnis getroffen.«
»Das haben wir, Reverend.«
»Ich nehme an«, sagte sie, »unsere Wege kreuzen sich in traurigen Momenten.«
»Berufsrisiko«, sagte ich. »Sowohl in Ihrem als auch in meinem.«
»Vermutlich … eigentlich bin ich kein Reverend, sondern nur Lehrerin.«
Ich lächelte. » Nur Lehrerin?«
»Es ist praktisch«, sagte sie. »Für den Unterricht zu Hause. Wir unterrichten die Kinder hier bei uns.«
»Pflegekinder?«, fragte Milo.
»Das stimmt.«
»Wie lange bleiben sie bei Ihnen?«, fragte ich.
»Keine bestimmte Zeit. Val sollte sechzig Tage bei uns sein, während ihre Mutter für ein Entzugsprogramm getestet wurde. Dann starb ihre Mutter an einer Überdosis, und alle Verwandten Vals leben in Arizona. Sie kennt sie kaum - ihre Mom ist von zu Hause weggerannt. Hinzu kam, dass sie nicht daran interessiert waren, sie zu sich zu nehmen. Also ist sie seit fast einem Jahr bei uns.«
»Um wie viele Pflegekinder kümmern Sie sich?«
»Das ist unterschiedlich. Mein Mann ist im Value Club beim Einkaufen. Wir kaufen en gros.«
»Wie sah die Vereinbarung bei Rand Duchay aus?«, fragte Milo.
»Die Vereinbarung?«
»Mit dem Staat.«
Cherish Daney schüttelte den Kopf. »Das war keine offizielle Situation, Lieutenant. Wir wussten, dass Rand entlassen wird und nirgendwo hingehen konnte, deshalb haben wir ihn zu uns genommen.«
»Das County fand seine Anwesenheit hier nicht problematisch?«, fragte Milo. »Zusammen mit Kindern?«
»Darüber wurde nicht gesprochen.« Sie verkrampfte sich. »Sie werden uns doch keine Probleme machen, oder? Das wäre den Kindern gegenüber nicht fair.«
»Nein, Ma’am. Es war nur eine Frage, die mir in den Sinn kam.«
»Es hat nie eine Gefahr bestanden«, sagte sie. »Rand war ein guter Mensch.«
Die gleiche Behauptung hatte ich aus seinem Mund gehört. Weder Milo noch ich sagten etwas dazu.
Cherish Daney sagte: »Ich erwarte nicht, dass Sie mir glauben, aber acht Jahre haben ihn verwandelt.«
»In was?«
»In einen guten Menschen, Lieutenant. Er wäre ohnehin nicht auf lange Sicht bei uns gewesen. Nur so lange, bis er einen Job und eine Bleibe gefunden hätte. Mein Mann hatte sich bei einigen gemeinnützigen Organisationen erkundigt, weil er dachte, dass Rand vielleicht in einem Secondhandladen oder bei einem Landschaftsgärtner arbeiten könnte. Dann ergriff Rand die Initiative und kam auf den Gedanken, auf dem Bau zu arbeiten. Dort wollte er am Samstag hingehen.«
»Haben Sie eine Idee, wie er in Bel Air gelandet ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er hatte keinen Grund, dort zu sein. Vielleicht hat er sich verirrt, und jemand hat ihn aufgegabelt. Rand konnte sehr arglos sein.«
»Er hat sie nicht angerufen?«
»Er hatte kein Handy«, sagte sie.
Er hatte mich von einem Münztelefon aus angerufen.
Milo fragte: »Wie weit ist die Baustelle entfernt?«
»Ein paar Blocks weiter an der Vanowen.«
»Nicht sehr weit, um sich verirren zu können.«
»Lieutenant, Rand hat seine gesamte Jugend im Gefängnis verbracht. Als er herauskam, hatte er extreme Orientierungsschwierigkeiten. Seine Welt war ein Brummen der Verwirrung.«
»William James«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Ein Pionier der Psychologie. Er nannte die Kindheit eine blühende, brummende Verwirrung.«
»Das habe ich wahrscheinlich gelernt«, sagte Cherish. »Im Priesterseminar hab ich Psychologie belegt.«
Milo sagte: »Also hielten Sie regelmäßigen Kontakt mit Rand aufrecht, während er in Haft war.«
»Ja, allerdings«, sagte sie. »Direkt nach Troys Tod haben wir damit begonnen.«
»Warum zu dem Zeitpunkt?«
»Anfangs hatten wir mehr mit Troy zu tun, weil wir ihn bereits vor dem Ärger kannten.«
»Unter Ärger verstehen Sie den Mord an Kristal Malley«, sagte Milo.
Cherish Daney sah zu Boden. Ihr krummer Rücken wurde deutlicher sichtbar.
»Wieso kannten Sie Troy vorher, Mrs. Daney?«
»Als mein Mann und ich studierten, bestand ein Teil unseres Seminars in Sozialdienst darin, Bedürfnisse in der Gemeinschaft zu identifizieren. Unsere Wohnung lag nicht so weit von 415 City entfernt, und daher kannten
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