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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wir ihren Ruf. Unser Studienberater hielt es für einen guten Ort, bedürftige Kinder zu finden. Wir sprachen mit dem Sozialdienst, und dort nannte man uns verschiedene Kandidaten. Troy war einer von ihnen.«
    »Rand nicht?«, fragte ich.
    »Rand hat seinen Namen nie auf irgendwelche Listen gekriegt.«
    »Auf die Listen mit den Unruhestiftern?«, fragte Milo.
    Sie nickte. »Wir haben uns ein paarmal mit Troy getroffen, haben versucht, ihn für die Kirche oder Sport oder ein Hobby zu interessieren, aber wir haben nie eine richtige Beziehung zu ihm aufbauen können. Dann, danach … er muss uns seiner Anwältin gegenüber erwähnt haben, weil sie Kontakt mit uns aufgenommen und gesagt hat, es wäre genau die richtige Zeit, mit seiner geistlichen Beratung zu beginnen.«
    Eine Bibel in der Zelle. Aalglatte Worte über die Sünde.
    »Warum hat es zunächst nicht geklappt mit der Beziehung?«, fragte Milo.
    »Sie wissen doch, wie es ist. Kinder wollen nicht immer reden.«
    Sie sah mich Bestätigung heischend an. Bevor ich welche anbieten konnte, fragte Milo: »Hat Troys Verhaftung seine Kommunikationsbereitschaft gefördert?«
    Sie seufzte. »Sie halten uns für naiv. Wir waren uns der Ungeheuerlichkeit dessen, was Troy getan hat, durchaus bewusst. Aber wir erkannten, dass er ebenfalls ein Opfer gewesen ist. Sie haben seine Mutter kennen gelernt, Doktor.«
    »Wo ist sie?«, fragte ich.
    »Tot«, sagte sie. Sie biss das Wort geradezu ab. »Als Troys Leiche zur Bestattung freigegeben wurde, rief uns das Büro des Gerichtsmediziners von Chino an. Sie konnten Jane nicht finden, und wir waren die einzigen anderen auf der Besucherliste. Wir nahmen Kontakt zu Ms. Weider auf, aber sie arbeitete nicht mehr als Pflichtverteidigerin. Troys Leichnam lag im Leichenschauhaus, bis unser Dekan einverstanden war, eine Grabstelle in San Bernardino zur Verfügung zu stellen, wo einige Dozenten des Priesterseminars begraben sind. Wir haben einen Gottesdienst veranstaltet.«
    Sie berührte ihr Kruzifix. Plötzlich strömten ihr Tränen übers Gesicht. Sie machte keine Anstalten, sie wegzuwischen. »Dieser Tag. Mein Mann und ich und Dr. Wascomb - unser Dekan. Ein wunderbarer, sonniger Tag, und wir sahen zu, wie Friedhofsarbeiter diesen erbärmlichen kleinen Sarg in die Erde hinabließen. Einen Monat später rief uns Detective Kramer an. Jane war unter einer Freeway-Ausfahrt gefunden worden, in einem dieser Obdachlosenlager, eingewickelt in einen Schlafsack und eine Plastikplane. So hat sie immer geschlafen, deshalb haben sich die anderen Obdachlosen erst Gedanken gemacht, als sie sich mittags immer noch nicht gerührt hatte. Sie war in der Nacht erstochen worden. Ihr Mörder hatte sie wieder eingewickelt.« Sie schauderte, zog das als Lesezeichen fungierende Papiertaschentuch heraus und wischte sich das Gesicht ab.
    »Wie lange nach Troys Tod war das?«, fragte Milo.
    »Sechs Wochen, zwei Monate, was spielt das für eine Rolle? Mir geht es darum, dass dieser Junge von Anfang an keine Chance hatte. Und jetzt Rand.«
    »Haben Sie eine Idee, wer Rand etwas zuleide tun wollte?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie war seine Stimmung?«
    »Er war desorientiert, wie ich schon sagte. Er schreckte zurück vor der Freiheit.«
    »Er war überhaupt nicht glücklich über seine Entlassung?«
    »Um ehrlich zu sein? Nicht wirklich.«
    »Hatte er außer der Jobsuche noch andere Pläne?«
    »Wir haben es langsam angehen lassen. Ihm geholfen, sich zurechtzufinden.«
    »Könnten wir sein Zimmer sehen?«
    »Klar«, sagte sie. »So, wie es nun mal ist.«
    Wir folgten ihr durch ein vollgestelltes, ordentliches Wohnzimmer, eine düstere, kombüsenähnliche Küche und einen niedrigen, schmalen Flur. Ein Schlafzimmer, mit kaum genug Platz für die Möbel, die es füllten. Ein einziges Badezimmer für das ganze Haus.
    Am Ende des Flurs war ein fensterloser Raum, keine sieben Quadratmeter. Cherish Daney sagte: »Das ist es.«
    Billige Paneele bedeckten die Wände. Abgeschnittene Rohre ragten aus dem Vinylboden.
    Milo fragte: »War das früher mal ein Waschraum?«
    »Die Waschküche. Wir haben die Waschmaschine und den Trockner nach draußen gestellt.«
    Eine gerahmte Szene aus der Bibel - ein nordischer Salomon mit zwei Walküren, die beide behaupteten, die Mutter desselben dicken, blonden Babys zu sein - hing über einem Feldbett. Eine weiße Plastiklampe stand auf einem Nachttisch aus unbehandeltem Holz. Milo öffnete die Schubladen. Eine abgegriffene Bibel in der

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