Bluttat
sehen, was sich machen lässt.«
Das Wartezimmer roch nach Wintergrünöl, muffiger Wäsche und Teppichreiniger. Die Zeitschriften in dem Wandregal waren spanisch oder koreanisch.
Eine blasse Frau von Ende zwanzig kam zum Empfangstresen. Sie hatte lange, glatte schwarze Haare, ein rundes Gesicht, das einen sanften, gelassenen Eindruck machte. Ihr rosafarbener Uniformrock aus Nylon betonte eine volle, feste Figur. Auf ihrem Namensschild stand A. Moss, staatl. gepr. zahnmedizinische Helferin . Schöne weiße Zähne, wenn sie lächelte; der Job hatte seine Vorteile.
»Ich bin Anita. Kann ich Ihnen helfen?«
Milo zückte sein Abzeichen. »Sind Sie Nestor Almedeiras Schwester?«
Anita Moss’ Mund schloss sich. Als sie wieder sprach, flüsterte sie fast. »Haben Sie sie gefunden?«
»Wen, Ma’am?«
»Die Leute, die Nestor getötet haben.«
Milo sagte: »Leider nicht. Hier geht es um etwas anderes.«
Anita Moss’ Gesicht nahm einen angespannten Ausdruck an. »Um etwas, was Nestor getan hat?«
»Das ist möglich, Ma’am.«
Sie warf einen Blick ins Wartezimmer. »Ich habe ziemlich viel zu tun.«
»Es wird nicht lange dauern, Ms. Moss.«
Sie öffnete die Tür, kam herein und ging zu einem alten Mann in Arbeitskleidung, der einen eingefallenen Mund hatte und in einem Rennprogramm las. »Mr. Ramirez? Ich bin in einer Minute bei Ihnen, okay?«
Der Mann nickte und wandte sich wieder den Quoten zu.
»Gehen wir«, sagte Anita Moss und fegte durch den Raum. Als Milo und ich an der Tür ankamen, hatte sie das Haus schon verlassen.
Sie klopfte mit dem Fuß auf den Bürgersteig und fummelte an ihren Haaren herum. Milo bot ihr einen Platz in seinem Wagen an.
»Das fehlte noch«, sagte sie. »Dass mich jemand in einem Polizeiauto sieht.«
»Und ich hab mir eingebildet, wir wären getarnt«, sagte Milo.
Anita Moss begann zu lächeln, überlegte es sich anders. »Gehen wir um die Ecke. Sie fahren ein bisschen, dann hole ich Sie ein und setze mich in den Wagen.«
In dem zivilen Einsatzwagen war es heiß geworden, und Milo rollte die Fenster herunter. Wir parkten in einer Seitenstraße mit billigen Mietshäusern, und Anita Moss saß steif im Fond. Ein paar Frauen mit Kindern spazierten vorbei, zwei Straßenköter liefen im Zickzack von Geruch zu Geruch.
Milo sagte: »Ich weiß, das muss schwer für Sie sein -«
»Machen Sie sich keine Sorgen meinetwegen«, sagte Moss. »Fragen Sie, was Sie fragen müssen.«
»Wann wurde Ihr Bruder ermordet?«
»Vor vier Wochen. Ich bin von einem Detective angerufen worden, und das ist alles, was ich darüber gehört habe. Ich dachte, Sie würden die Ermittlungen weiterführen.«
»Wo ist es passiert?«
»Im Lafayette Park, spät in der Nacht. Der Detective sagte, Nestor hätte Heroin gekauft, und jemand hätte ihn erschossen und ihm das Geld abgenommen.«
»Erinnern Sie sich an den Namen des Detective, der Sie angerufen hat?«
»Krug«, sagte sie. »Detective Krug. Seinen Vornamen hat er mir nicht genannt. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht allzu viel Zeit in den Fall stecken wollte.«
»Wieso das?«
»Allein deswegen, wie er sich anhörte. Ich nahm an, es hing damit zusammen, was Nestor für ein Mensch gewesen war.« Sie setzte sich gerade hin und starrte in den Rückspiegel.
»Weil Nestor drogensüchtig war«, sagte Milo.
»Seit seinem dreizehnten Lebensjahr«, sagte Moss. »Nicht immer Heroin, aber immer irgendeine Art von Sucht.«
»Was war es außer Heroin?«
»Als er klein war, hat er Klebstoff geschnüffelt. Dann Marihuana, Pillen, PCP, was Sie nur wollen. Er war der Jüngste in unserer Familie, und ich bin die Älteste. Wir standen uns nicht sehr nahe. Ich bin hier aufgewachsen, aber ich wohne nicht mehr hier.«
»In Westlake.«
Sie nickte. »Ich bin auf die Cal State in L.A. gegangen und habe meinen Mann kennen gelernt. Er studiert Zahnmedizin im achten Semester an der Uni. Wir wohnen in Westwood. Dr. Park ist einer von Jims Professoren. Ich verdiene das Geld, bis Jim das Studium abschließt.«
»Nestor ist vor drei Monaten aus Chaderjian entlassen worden«, sagte Milo. »Wo hat er gewohnt?«
»Zuerst bei meiner Mutter - wo er danach war, weiß ich nicht«, erwiderte Anita Moss. »Wie ich schon sagte, wir standen uns nicht nahe. Nicht nur Nestor und ich. Nestor und die ganze Familie. Meine anderen beiden Brüder sind gute Jungs. Keiner begreift, warum Nestor die Sachen getan hat, die er getan hat.«
»Ein schwieriges Kind«, sagte ich.
»Vom ersten Tag
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