Bluttat
Nummer Ich-bin-blind-und-taubstumm beherrscht.« Krug biss in seinen Hamburger. »Ausgezeichnet, was? Eine Sache, für die die Franzosen gut sind, ist Käse... So viel Nestor auch geprahlt haben mag in der Vergangenheit, seine Angeberzeit ist jedenfalls vorüber.«
Er griff in die Tasche und zog ein Obduktionsfoto eines hohlwangigen Gesichts heraus. Verkrustete Haare, bleicher Teint, die glasigen Augen eines Toten mit grauen Tränensäcken darunter. Ungleichmäßige Gesichtsbehaarung wirkte wie ein grauer Hautausschlag.
Wie seine Schwester hatte Nestor Almedeira ein rundes Gesicht. Jede andere Ähnlichkeit mit ihr hatte ein schlechter Lebenswandel ausgelöscht.
Ich ließ mir das Foto geben und sah es mir näher an. Nestor war der Benjamin der Familie gewesen, aber er sah zehn Jahre älter aus als Anita. Sein Kopf war von dem Fotografen der Pathologie zur Seite gedreht worden, damit die Eintrittswunde ins Bild kam. Linke Schläfe, ein schwarz-purpurfarbenes Loch, das von sternförmigen Hautabschürfungen und von einem pointillistischen Pulverring eingerahmt war.
»Saß er, als er erschossen wurde?«, fragte Milo.
»Mitten auf der Parkbank«, sagte Krug. »Saß Ihr Jungsmörder auch?«
»Vielleicht in einem Wagen. Passiert noch irgendwas an dem Fall, Phil?«
»Ihr seid so ziemlich alles«, sagte Krug, vertilgte den Rest seines Hamburgers und wischte sich die Lippen ab. »Ich will auf jeden Fall Bescheid wissen, wenn ihr irgendwas rauskriegt. Wäre nett, wenn ich den Fall ablegen könnte, auch wenn er sonst allen am Arsch vorbeigeht.«
»Die Familie macht keinen Druck«, sagte Milo.
»Sie haben die Schwester kennen gelernt. Sie denkt, Nestor war Abschaum. Die Familie machte keine Anstalten, Anspruch auf den Leichnam zu erheben, der Gerichtsmediziner musste sie immer wieder daran erinnern. Schließlich hat einer der Brüder ein Bestattungsunternehmen beauftragt, die Leiche abzuholen.«
Krug winkte, und die Kellnerin brachte die Rechnung und legte sie in die Mitte des Tisches. Er brauchte einige Zeit, um seinen Schnurrbart zu säubern, zog dann einen Zahnstocher aus Stahl aus der Brusttasche seines Hemds und reinigte damit seine Zähne.
»Nun denn.« Er lächelte.
Milo nahm die Rechnung an sich.
Krug sagte: »Das ist sehr nett von Ihnen«, und schlenderte hinaus.
Als die Kellnerin an den Tisch kam, um das Geld in Empfang zu nehmen, sagte Milo: »Wir hätten gern noch Kaffee.«
Sie warf einen missbilligenden Blick auf die ausgedruckte Rechnung. »Dann muss ich die hier neu schreiben.«
Milo gab ihr ein Bündel Geldscheine. »Der Rest ist für Sie.«
Sie blätterte das Geld durch und zwinkerte. »Der geht aufs Haus.«
Als sie zur Theke zurückging, sagte er: »Falls Malley der Weiße war, der Nestor dafür bezahlt hat, Troy Turner umzubringen, war Nestor ein Stolperstein, der beseitigt werden musste. Andererseits war Nestor ein Großmaul und hat trotz all der Jahre, die er in Chaderjian verbrachte, Malley nie preisgegeben.«
»Weil er rauskommen wollte«, sagte ich. »Aber sobald er frei - und zugedröhnt - war, legte er seine Hemmungen ab. Er hat Anita gegenüber damit geprahlt, also stehen die Chancen nicht schlecht, dass er auch mit anderen Leuten geredet hat. Das Problem ist nur, dass es sich vermutlich um Leute handelte, denen es egal war.«
»Andere Junkies und Loser«, sagte er. »Für sie wäre er nur ein weiterer Narr gewesen, der das Maul aufreißt. Anita war es nicht egal, und sie versuchte es zu melden, und alle gaben ihr einen Korb.« Milo zog an seiner Oberlippe. »Ein weiterer Moment, auf den das Department stolz sein kann … Der Mord an Nestor weist eine ziemliche Ähnlichkeit zu dem an Rand auf. Und zu dem an Lara - wenn es denn Mord war. Okay, damit ist Malley Hauptverdächtiger der Woche.«
»Es gibt noch einen unnatürlichen Todesfall, an den wir denken sollten. Jane Hannabee ist ein paar Monate nach Troy ermordet worden. Als ich mit ihr sprach, hat sie Troys Tod vorausgesagt. Sie meinte, sein Bekanntheitsgrad als Kindermörder würde ihn zu einem begehrten Ziel machen. Nach dem, was Anita sagte, hat Nestor das genauso gesehen.«
»Glaubst du, Hannabee hat rausgefunden, wer für den Mord an Troy bezahlt hat?«
»Oder sie wurde aus Rache ermordet, weil sie Troy in die Welt gesetzt hat«, sagte ich.
»Du zerstörst meine Familie, ich zerstöre dich. Mann, das ist kaltblütig.«
»Das ist es auch, wenn man seine Frau sechs Monate, nachdem sie ihr einziges Kind verloren hat,
Weitere Kostenlose Bücher