Bluttaufe: Thriller
falsche Angaben zur Person, vielleicht ein falsches Bild, und schon war das Opfer für ein Treffen abgekocht. Doch Carla Kanuk
war anscheinend mit ihrem Single-Dasein zufrieden gewesen.
Auch wenn Weitz dieser Einschätzung ihres Bruders nicht traute, eine Frau ihres Alters war doch empfänglich für das männliche Werben. Andererseits gab es schon Frauen … na ja.
Weitz fuhr mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock. Diesen Weg hatte auch Carla Kanuk genommen. Jeden Tag. Eine großartige Karriereaussicht hatte ihr der junge Schnösel von Chef prognostiziert, den er sich gleich vornehmen würde.
»Kann ich Herrn Hansen sprechen?«
»Sind Sie angemeldet?«
»Wir sind verabredet. Nun schaffen Sie ihn schon ran, ich hab wenig Zeit.«
Die Dame am Empfang lächelte beharrlich weiter, schickte ihn in den Besprechungsraum und versicherte ihm, dass Herr Hansen sofort kommen würde.
Weitz sagte nichts, sondern blickte sich um. In der Mitte des Raumes ein Stahltisch, an den Wänden nur ein modernes Gemälde, das den Rücken eines Mannes zeigte, der aus dem Bild lief. Stahlrahmen, Stahlstühle und schwarz lackierte Schränke, die in die Wand eingelassen waren.
Drei Minuten später betrat wippend und in einem braunen Nadelstreifen der Besitzer des Immobilienbüros den Raum.
»Ich bin Lars Hansen, Sie kommen wegen Frau Kanuk?«
»Ich möchte keine Zeit verschwenden, wir haben es eilig.«
»Dann mal los«, sagte Hansen. »Ich weiß allerdings
nicht, was wir nicht schon zu Protokoll gegeben hätten. Haben Sie denn überhaupt keine Spur vom Täter? Solch ein Mord …«
»Wir haben eine Spur, eine Spur von Ahnung, und die sagt uns, dass wir aus taktischen Gründen nicht über Ermittlungsergebnisse herumquatschen sollten.«
»Verstehe«, sagte Hansen. »Was wollen Sie also wissen?«
Weitz beugte sich nach vorn dicht an das Ohr seines Gegenübers.
»Wissen Sie, was Diskretion ist?«
»Sicher.«
»Hab ich mir schon gedacht, dass Sie das wissen.«
»Was soll das?«, fragte der Immobilienkaufmann.
»Ich möchte, dass Sie Ihre verdammte Diskretion hier mal vergessen. Herr Lars Hansen, stellen Sie sich einfach vor, Ihre Freundin geht zum Frauenarzt …«
»Was hat meine Frau …«
»Stellen Sie sich vor, sie geht zum Frauenarzt. Da setzt sie sich auf einen Stuhl und legt alles frei. So ist es jetzt auch zwischen uns. Sie halten einfach nicht zurück, machen Ihre Beine breit und erzählen mir alles über diese Carla Kanuk. Wenn ich alles sage, meine ich auch alles. Nicht diesen Scheiß von verdiente Mitarbeiterin, Stütze des Geschäfts und so. Ich meine, mit wem hat sie rumgevögelt, hat sie in der Firma Kollegen oder Kunden aufgerissen? Haben Sie sie vernascht, wie das sicher nicht ganz unüblich ist? War ja mal ein flotter Feger, diese Kanuk. Da wachsen schließlich Begehrlichkeiten, und Sie waschen sich Ihren Schwanz sicher auch nicht mit Sagrotan. Sind schließlich kein Kostverächter, das sehe ich gleich.«
»Was wollen Sie? Vielleicht sollte ich meinen Anwalt …«
»Natürlich können Sie Ihren Anwalt rufen, aber ich kann Sie dann meinerseits auch ganz schnell vom Zeugen zum Tatverdächtigen befördern, verstehen Sie? Mit wem hat sie’s getrieben? Ich will Gerüchte hören, Vermutungen, Büroklatsch.«
»Das dringt sicher kaum bis zu mir durch.«
»Nun machen Sie hier mal nicht den dicken Maxe. Sie haben zwölf Mitarbeiter, zwölf! Und da wollen Sie mir erzählen, dass Sie nicht wüssten, wer mit wem in die Kiste steigt?«
»Frau Kanuk hat solche Kontakte innerhalb des Büros immer vermieden. Einmal gab es die Vermutung, sie hätte sich privat mit einem Kunden getroffen.«
»Aha, genau das will ich hören. Wer war der Mann?«
»Eine Frau, es war eine Frau.«
»Eine Lesbe? Wollen Sie damit sagen, Carla Kanuk war eine Lesbe?«
»Will ich nicht sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sexuelle Kontakte zu der Frau hatte, die war gut und gern zwanzig Jahre älter.«
»Das sagt gar nichts, glauben Sie mir. Okay, wir haben diese Frau, diese Kundin, deren Namen Sie mir nachher aufschreiben werden. Und weiter?«
»Einer meiner langjährigen Mitarbeiter hat Interesse an ihr gehabt, aber sie hat darauf nicht reagiert. Sie hat Geschäftliches und Privates streng getrennt. Da war nichts.«
»Keine privaten Mails?«
»Wir überprüfen nicht, welche Mails unsere Mitarbeiter verschicken, das ist hier nicht so ein Supermarkt, der seine Leute bespitzelt. Hier wird unabhängig gearbeitet, und die Mitarbeiter
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