Blutträume
Pfeife.
Da fiel ihr Blick auf die Kette, die auf der Kommode lag.
Der wahr gewordene Albtraum, dachte Dani.
Die Vision. Blutgeruch drehte ihr den Magen um, dichter, beißender Rauch brannte ihr in den Augen, und was lange Zeit eine schwammige, traumartige Erinnerung gewesen war, wurde nun zu greller, erstickender Realität. Einen Augenblick lang war sie wie gelähmt.
Alles wurde wahr.
Trotz allem, was sie getan hatte, allem, was sie zu tun versucht hatte, trotz aller Warnungen war wieder alles …
Moment. Das ist nicht …
»Dani?« Wie von ungefähr tauchte Hollis neben ihr auf, die Waffe gezogen, die blauen Augen durchdringend, obwohl sie gegen den Rauch zusammengekniffen waren. »Wo ist es?«
»Ich – kann nicht. Ich meine, ich glaube nicht, dass ich …« Wieso bin ich so durcheinander? Hier war ich schon einmal. Das habe ich schon mal gemacht. Warum also kommt mir alles so … anders vor?
»Dani, du bist alles, was wir haben. Du bist alles, was sie haben. Ist dir das klar?«
Dani erwiderte: »Hätte doch nur jemand auf mich gehört, als es darauf ankam …«
Aber sie haben doch auf mich gehört. Das weiß ich.
Daran erinnere ich mich.
Oder etwa nicht?
»Hör auf, zurückzublicken. Das hat keinen Sinn. Nur das Jetzt zählt. In welche Richtung, Dani?«
So schwer es ihr auch fiel, musste Dani sich zwingen, sich auf den Blutgeruch konzentrieren, den keiner der anderen riechen konnte. Eine Blutspur war alles, was sie hatten. Sie musste würgen, dann zeigte sie nach vorn. »Da entlang. Nach hinten. Aber …«
»Aber was?«
»Nach unten. Tiefer. Da ist ein Untergeschoss.«
»Ist auf den Plänen aber nicht verzeichnet.«
»Ich weiß.«
Das hab ich dir doch alles schon gesagt. Oder nicht?
Oder nicht?
»Ziemlich ungünstige Stelle, um in einem brennenden Gebäude eingeschlossen zu sein«, stellte Hollis fest. »Das Dach könnte über uns einstürzen. Ohne Weiteres.«
Bishop tauchte ebenso unvermittelt aus dem Rauch auf wie zuvor Hollis, die Waffe in der Hand, mit versteinerter Miene und gequältem Blick. »Wir müssen uns beeilen.«
»Ja«, antwortete Hollis, »ist uns klar. Brennendes Gebäude. Wahnsinniger Mörder. Das Gute dem Bösen stark unterlegen. Verfahrene Situation.« Wortwahl und Ton waren flapsig, doch der Blick, mit dem sie ihn ansah, war angespannt und prüfend.
»Du hast ›mögliches Opfer in der Gewalt eines wahnsinnigen Mörders‹ vergessen«, ergänzte ihr Boss in nüchternem Ton.
»Niemals. Dani, hast du den Keller gesehen oder erahnst du ihn?«
Erahnen? Moment mal. So sind meine Fähigkeiten nicht gelagert. Ich träume die Dinge nur. Ich bin keine Hellseherin.
Paris schon.
Paris …
»Die Treppe. Ich hab sie gesehen.« Das Gewicht auf ihren Schultern fühlte sich an, als lastete die ganze Welt auf ihr. Also war es vielleicht das, was sie so niederdrückte. Oder … »Und jetzt spüre ich … Er ist noch tiefer. Er ist unterhalb von uns.«
»Dann suchen wir nach einer Treppe.«
Dani musste husten. Sie versuchte nachzudenken, sich zu erinnern. Doch erinnerte Träume waren etwas so Vages, nicht Greifbares. Sogar Visionsträume waren das manchmal, und sie konnte sie sich einfach nicht sicher sein, dass ihre Erinnerungen korrekt waren.
Aber das hier ist der Visionstraum. Ich weiß, dass er es ist. Es ist der Visionstraum, und zum ersten Mal ist mir das klar, obwohl ich mich mittendrin befinde.
Während ich träume.
Weil ich träume.
Es muss ein Traum sein.
Da ihr nur allzu bewusst war, dass kostbare Zeit verstrich, sah sie auf ihre Armbanduhr, auf die glitzernde Rolex, die ihr anzeigte, dass es 13 Uhr 34 am Dienstag, dem 28. Oktober war.
Moment. Wieso ist es eine andere Uhr? Und wieso eine andere Zeit? Über eine Stunde früher. Warum sollte es früher sein?
»Dani?«
Sie schüttelte die momentane Verwirrung ab oder versuchte es zumindest. »Die Treppe. Nicht da, wo man sie vermuten würde«, brachte sie schließlich heraus und hustete erneut. »Sie ist in einem kleinen Raum oder einem Büro. So was in der Art. Kein Flur. Flure …«
»Was denn?«
Der Augenblick der Gewissheit war flüchtig, aber absolut. »Mist. Der Keller ist geteilt. Zwei große Räume. Zugänglich vom Erdgeschoss aus über zwei verschiedene Treppen, eine an jeder Seite des Gebäudes, im hinteren Teil.«
»Was ist das für ein hirnrissiger Bauplan?«, beschwerte sich Hollis.
»Falls wir hier lebend herauskommen, kannst du ja den Architekten fragen.« Der Blutgeruch war überwältigend, und
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