Blutträume
Garten des leerstehenden Hauses am Rande dessen, was einmal ein hübscher Poolbereich gewesen war, bevor ein Monster ihn zum Schauplatz eines Massakers gemacht hatte, nun mit gelbem Flatterband abgesperrt. Die Organe und anderen Körperteile waren abtransportiert worden, doch Blutflecken, die sich durch die heiße Sonne Georgias rostrot verfärbt hatten, verunzierten die schönen Fliesen und Steine, und der rot gefärbte Pool war erst zur Hälfte ausgelassen.
Fliegensummen war zu hören.
Jordan räusperte sich, als er sah, in welche Richtung Hollis blickte. »Der Abfluss ist verstopft. Wir müssen die Poolreinigungsfirma anrufen. Wahrscheinlich brauchen sie dazu noch jemanden, der biologisches Gefahrengut entsorgt.«
»Heutzutage gibt es nur noch Spezialisten«, murmelte Hollis.
»Und Ihre Spezialität ist es, ein Medium zu sein.«
Hollis war versucht, ihm die Geschichte von der am häufigsten Verwundeten der Einheit zu erzählen, entschied sich aber dagegen. Hauptsächlich deshalb, weil sie die Toleranzschwelle des (wirklich sehr gut aussehenden) Deputys noch nicht herausgefunden hatte. Zwar hatte er alles, was man ihm zugemutet hatte, anscheinend klaglos hingenommen, doch man konnte nie wissen, was das Fass zum Überlaufen bringen würde.
»Ja«, räumte sie ein, »das ist meine Fähigkeit.«
»Wollten Sie deshalb hierherkommen? Weil Sie hoffen, eines der Opfer würde – würde Ihnen erscheinen?«
»Ach, lassen Sie das doch nicht klingen, als würde es hinter dem Vorhang des Zauberers hervortreten«, entgegnete sie trocken.
»So hab ich es nicht gemeint. Ehrlich nicht. Wusste nur nicht, wie ich es ausdrücken soll.«
Hollis überlegte kurz und zuckte dann die Schultern. »Gar nicht so verkehrt. Und es stimmt, ich dachte, ich würde vielleicht etwas sehen. Oder jemanden. Passiert mir manchmal an Tatorten. Allerdings nicht immer, doch immerhin oft genug, um es irgendwie zu erwarten.«
Jordan blickte etwas argwöhnisch um sich. »Und … jetzt auch? Sehen Sie jemanden?«
»Bisher nicht.«
»Hm. Dann warten wir wohl, nehme ich an?«
Hollis spürte sowohl seine Belustigung als auch seine Neugier. »Verraten Sie mir etwas, Deputy.«
»Jordan, bitte. Ich dachte, über dieses Stadium wären wir hinaus.«
»Sind wir auch. Verrat mir etwas, Jordan. Wieso bist du dem ganzen paranormalen Kram gegenüber so aufgeschlossen? Die meisten Polizisten sind das nicht.«
»Du bist Polizistin.«
»Ja. Schon, in gewissem Maße. Jedenfalls gehöre ich zu einer Spezialeinheit, in der es normal ist, paragnostisch zu sein. Was ist bei dir der Grund?«
»Bin damit aufgewachsen«, erwiderte er.
Hollis drehte sich zu ihm um und starrte ihn an. »Du bist doch wohl nicht der siebte Sohn eines siebten Sohnes oder so ähnlich, wie?«
Er lächelte. »Nein, nichts dergleichen. Nicht die Hokuspokus-Seite des Paranormalen. Meine Großmutter war auch keine Wahrsagerin. Aber sie hatte das Zweite Gesicht. Das ist in dieser Gegend seit Generationen weit verbreitet.« Er sah, wie sich ihre Brauen hoben, und fügte hinzu: » Prophet County, aus gutem Grund.«
Nun blieb ihr nichts anderes übrig als »Hm« zu sagen. »Das tauchte in der Recherche nicht auf. Ob Bishop das weiß?« Dann schüttelte sie den Kopf. »Verdammt, natürlich weiß er es. Dani und Paris sind hier geboren, nicht wahr?«
»Ja. Und ihre Mutter war ein Medium, wie du. Marc ist auch hier zur Welt gekommen, und in seiner Familie hat sich die Gabe immer auf interessante und unterschiedliche Weise manifestiert. Nicht unbedingt paragnostisch, aber durch ein überdurchschnittlich gutes Gespür dafür, sich nicht verarschen zu lassen. Die Purcells wussten immer, wem sie vertrauen konnten und wem nicht, was wohl einer der Gründe ihres politischen Erfolges war. Und möglicherweise auch, wieso Marc als Sheriff so erfolgreich ist.«
Hollis machte nochmals »Hm« und musterte ihn eingehender. »Wie steht’s mit dir? Deine Großmutter hatte das Zweite Gesicht und …?«
»Und ich nicht.« Er zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt, ich bin bis heute nicht sicher, ob ich es eher bedaure oder darüber erleichtert bin. Aber seitdem ich etwas Zeit mit einigen von euch verbracht habe, die ihr damit umgehen müsst, neige ich dazu, erleichtert zu sein. Es kommt mir eher wie eine Bürde als eine Gabe vor.«
»Also, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es beides ist. Manchmal eine Gabe, manchmal eine Last. Ein Abenteuer ist es in jedem Fall.«
»Das ist wahrscheinlich eine sehr
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